„Eine Amok-Komödie vom Zusammenprall der Kulturen“, nannte es der Spiegel: „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat und Jens Hillje ist seit der Saison 2010/2011 der Hit deutschsprachiger Bühnen. Wo immer es aufgeführt wird, sind volle Häuser garantiert, zum Beispiel in Wien in der Garage X. Nun gibt es eine DVD mit der Originalbesetzung aus dem Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße.
„Verrücktes Blut“ ist ein Stück, das zwar beim Thema Integration ansetzt, aber einen frischen Blick darauf wirft – jenseits der politischen Korrektheit, die die Sicht auf die Probleme offenbar zunehmend verschleiert. Die Schulklasse aus zwei Mädchen und fünf Jungs muss der leibhaftige Horror für jeden Lehrer sein. Die Jungs kratzen sich an den Genitalien, alle sind mit ihrem Handy zu Gange, die Lehrerein steht da auf verlorenem Posten – es erscheint ein absurdes Unterfangen, diesen Rabauken tatsächlich Schiller nahebringen zu wollen. Doch dann ist da plötzlich eine Pistole, die Lehrerin reißt sie an sich und hält damit die Klasse in Schach. Mit vorgehaltener Waffe zwingt sie jede/n Einzelnen dazu, Szenen aus Schillers „Räuber“ oder „Kabale und Liebe“ zu spielen. Dazwischen versammelt sich die Gruppe und singt insbrünstig deutsche Lieder der Romantik.
Unter dem lebensbedrohlichen Druck kriegt die Lehrerin schließlich jeden und jede der Klasse dazu ihre Rolle im realen Leben zu überdenken und es gelingt ihr, den SchülerInnen die Paralle ihrer Welt zu Schillers Sturm und Drang zu eröffnen. Das Faszinierende an diesem Stück ist, dass es auf mehreren Ebenen spielt und die Handlung immer wieder unvermutete Wendungen erfährt, sodass das Verhalten der SchülerInnen und der Lehrerin niemals vorhersehbar wird, sondern immer neue Überraschungen hervorbringt. Ein intelligenter Plot, der zwischen Komödie, Melodrama und Thriller hin und herpendelt.
In der DVD kann man nun das Original in der Regie des Autorenteams und mit großartigen SchauspielerInnen, allen voran Sesede Terziyan als Lehrerin sehen.
PS: Das Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg wurde 2008 von der künstlerische Leiterin Shermin Langhoff als „postmigrantisches“ Theater gegründet. Der Erfolg qualifizierte sie bald für höhere Weihen. Ab 2014 ist sie ins Leitungsteam der Wiener Festwochen verpflichtet, laut Ausschreibung zur „Einbindung niedrigschwelliger Spielorte“ und für „Konzepte zur Sicherstellung von Gender Mainstreaming, Interkulturalität sowie Partizipation“.
„Verrücktes Blut“ Buch und Regie: Nurkan Erpulat und Jens Hillje, aus dem Ballhaus Naunynstraße, Theater Edition, 2011
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