Jugendliche Leidenschaft. Kometengleich eroberte Davide Dato Bühne und Publikum. Mit 15 noch dem Hip Hop verschrieben, ist er mit 22 nur wenige Sprünge vom Solisten entfernt. Im Frühjahr brillierte er als Edelstein in George Balanchines "Rubies" und als Zigeuner in "Don Quixote" von Rudolf Nurejew. Im Herbst wird er in der Wiederafnahme von John Crankos "Romeo und Julia" Mercutio, den Freund Romeos (Vladimir Shishov), tanzen.
Lässig schlendert er über die Operngasse. Kaut an seinem dick belegten Ciabatta Wecken, streckt die braun gebrannten Knie aus der karierte Bermuda, zeigt ein strahlendes Lächeln, genießt den Tag. Ein junger Mann, wie jedermann. „Nein“, sagt Davide Dato, „ich bin nicht wie jeder. Leider.“ Der Spaß der Twens ist nicht seiner. Sein Vergnügen ist die Arbeit, seiner Leidenschaft frönt er im Probensaal und auf der Bühne. Davide Dato ist Tänzer, der jüngste Halbsolist im Wiener Staatsballett.
Ein kleiner Seufzer entschlüpft ihm schon, wenn er aufzählt, was ihm seit Kindesbeinen versagt ist: „Schifahren, Eislaufen, Bungeejumping, Motorradfahren, Party feiern, Essen und Trinken, so viel ich will.“ Die Nachmittagsjause mit Wurst und Käse sei eine Ausnahme, beteuert er. Die Probe hat ihm keine Zeit zum Mittagessen gelassen. Doch das Bedauern wegen des Verzichts auf die „üblichen Vergnügungen der Altersgenossen“ ist nur kurz, denn „ich mache ohnehin genau das, was mir Spaß macht. Ich tanze. Das ist momentan genau das, was ich machen will.“ Und dem er auch die freien Stunden widmet. Für eine Freundin / einen Freund, sagt er „ist keine Zeit. Das Tanzen, immer besser zu werden, andere zu beobachten, von ihnen zu lernen ist mir jetzt wichtiger.“ Als verbissener Ehrgeizling tanzt der junge Mann jedoch nicht durch die Welt, eher als Genießer, der „immer nur das machen will, was Spaß macht.“
Schwesterlein komm tanz mit mir. Für die ersten Anfänge musste Grata, die jüngere Schwester, beide Hände reichen. Prinz und Prinzessin wollten die Geschwister aus Biella im Piemont nicht sein. Lieber wiegten sie sich im Salsa-Rhythmus oder tobten als Breakdancer durchs Wohnzimmer. Mit Begeisterung besuchten sie die Tanzschule. Hip-Hop, Salsa, Merengue und Mambo waren ihre Domäne. „Wir waren gut, wir sind bei Wettbewerben aufgetreten, bis ich 15 war. Ich habe das Gefühl von Theater gemocht, die Bühne und das Licht. Ballett habe ich nur nebenher gelernt.“ Ein Sommerworkshop brachte die Wende. Der talentierte Teenager entdeckte „eine andere Welt“, die des klassischen Tanzes und wählte einen Weg, den viele Tänzer auf der Suche nach mehr Freiheit in umgekehrter Richtung gehen. Davide aber ließ sich gerne fesseln und widmete sich mit Ernst und Elan den strengen Regeln des klassischen Balletts. Die Eltern unterstützten mit dem gleichen Eifer: „Ein Jahr lang führten sie mich drei Mal in der Woche nach Mailand zum Training. Meine Mutter brachte mich hin, mein Vater holte mich am Abend ab. Das waren jedes Mal mehr als 100 km.“
Der Fleiß wurde mit der Aufnahme in der berühmten Rudra-School Lausanne von Maurice Béjart – „Der war damals noch am Leben“ – belohnt. Zugleich schickte er auf Anraten seines Lehrers eine DVD nach Wien. Jolantha Seyfried, damals Direktorin der Ballettschule, sah und Davide Dato siegte. Mit einem Stipendium bekam der 16jährige einen Platz in der Ballettschule und im Internat Boerhaavegasse. Neben dem Tanzunterricht musste sich Davide vor allem mit Sprachproblemen herumschlagen. „Ich wollte unbedingt auch das Gymnasium abschließen.“ Also büffelte er nach dem Ballett-Abschluss weiter für die Matura und tanzte zusätzlich in der Theaterklasse. „Das war furchtbar, weil ich kein Wort Deutsch gekonnt habe. Mein Glück war meine Französisch-Lehrerin, Susanna Hansal. Sie hat mir viel geholfen, mich quasi adoptiert und ist auch jetzt noch immer für mich da.“ Mit 18 konnte Davide Dato zwei Zeugnisse mit der Note „Ausgezeichnet“ rahmen lassen. Sein Licht bleibt nicht unter dem Scheffel: „Ich war der einzige, der ohne Deutsch gekommen ist und die Matura geschafft hat und auch der Einzige, der an die Oper engagiert worden ist.“
Ausgezeichnet. Schon während der Schulzeit hat er jede Ballettvorstellung gesehen: „Immer auf dem Stehplatz. Ich habe viel gelernt, nicht nur alle Namen. Als ich engagiert wurde, war ich gleich zu Hause.“ Datos offenes Wesen, seine stets gute Laune stehen keineswegs im Widerspruch zu Arbeitseifer und professioneller Ernsthaftigkeit. Mit Sprungkraft, Eleganz und Virtuosität hat er auch das Publikum erobert. Blumen und Teddybären warten nach jeder Vorstellung an der Bühnentüre auf den feschen Jüngling. Den ersten Sonderapplaus erntete Dato als Max und auch als Moritz im gleichnamigen Ballett nach Wilhelm Busch. Zuletzt brillierte er als wilder Zigeuner in „Don Quixote“ als funkelnder Rubin zwischen den Juwelen Natalie Kusch und Ketevan Papava in George Balanchines „Rubies“. Als Zeichen internationaler Anerkennung sind Goldmedaillen, Goldene Bären und Urkunden für den „Besten“ als Trophäen in der Vitrine gestapelt.
In längst perfektem Deutsch, kann Davide Dato wortgewandt über die Zukunft sprechen. Krampfhaftes Karriereplanen liegt ihm nicht, er schaut Gelassen und neugierig nach vorn: „Im Herbst kommt ‚Romeo und Julia’, da möchte ich dabei sein.“ Die Titelrolle allerdings, das weiß er, liegt noch in der Ferne. „Es ist es egal, welche Rolle er tanze. Man muss genießen, was man hat und nicht zu viel grübeln. Tanzen ist das, was ich immer machen wollte. Wenn man das nicht leidenschaftlich liebt, gibt es keinen Grund es zu machen. Ich sehe so viele, die frustriert sind, denen das Tanzen gar keinen Spaß macht und ich weiß nicht, warum sie es dann machen. Der Beruf ist so schwer, so anstrengend, nicht so gut bezahlt …“. Davide Dato bleibt Optimist: „Ich glaube an die Arbeit: Wenn man das macht, was man machen muss, bekommt man immer, was man verdient.“ Lachend korrigiert er: „ Na ja, fast immer.“
„Romeo und Julia“, Premiere 7.10. Weitere Vorstellungen: 17., 19., 21. Sept.. 31.Okt. 2., 6., Nov. Staatsoper
Das Porträt ist ursprünglich im Schaufenster vom 22. Juni 2012 der Tageszeitung „Die Presse“ erschienen.