Im „Grand Hotel Abyss“, im Hotel Abgrund, wird unverdrossen geschlemmt. Ein steirischer herbst, der dies als seinen Festival-Titel wählt, öffnet damit viele Tore, könnte so manche Ein- und Tiefblicke ermöglichen. So bietet er auch am letzten Wochenende zwei vielversprechende Performances zu diesem Thema an: „Manaraga – Diary of a Master Chef“ und „Chow Down!“, die die Erwartungen allerdings nicht erfüllen konnten.
Der Auror Vladimir Sorokin, ein führender Vertreter des russischen Konzeptualismus, zelebriert in „Manaraga“ den bereichernden Wert von Büchern. Das heißt, er lässt ihn von Köchen zelebrieren, die wie ihre betuchten Fans in den Werken der Weltliteratur zu schlechter Letzt ihren Brennwert entdeckt haben und sich also mit deren „Unterstützung“ kulinarisch an den letzten verbliebenen Exemplaren delektieren: an ‚Kobe-Filets an Dostojewski‘ etwa. Diese sarkastische Zukunftsvision, diese schwarzmalende Metapher wird nun an einer Story aufgehängt, die von einem Verräter innerhalb des geheimen Clubs der Meisterköche erzählt. Aber weder diese Geschichte ist dazu angetan, einen Mehrwert der Grundidee zu erreichen noch die kühl-intellektuelle Regie Blanka Rádóczys. Ein Vergnügen bleibt dem Publikum nichtsdestotrotz durch das feinsinnig-kraftvollen Spiel der beiden Darsteller Mathias Lodd und Lukas Walcher.
Um auf die Spitze getriebene, scheinheilige Genusskultur und um - wie abschließend gleichermaßen konkret und letztlich banal von den Darstellern vorgeführte - Lachhaftigkeit der Konsum-Vergötterung dreht sich auch „Chow Down“ (Konzept, Text, Regie: Andrei Stadnikov). Der in vielerlei Hinsicht reale Hintergrund von Nahrungsmittelvernichtung ist ein weiteres, zeitimmanent-wesentliches Thema. Dass all dies allerdings von einer, wenn auch facettenreich variierten, aber schon bald in Wiederholungen sich drehenden, lobhudelnde Grabrede, die den allergrößten Teil der dramaturgisch soweit gut aufbereiteten Performance umfasst, also nicht nur eingerahmt, sondern letztlich dominiert wird, das ist schade. Das ist bald einmal langweilig sinnentleert und vor allem auch Vergeudung einer Chance. Denn auch hier hätten die fünf Performer das darstellerische Zeug, Inhalte nachdrücklich und -haltig auf die Bühne zu stellen.
Steirischer Herbst 2019: „Manaraga – Diary of a Master Chef“, Gemeinschaftsproduktion von Schauspielhaus Graz und steirischer herbst, am 9. Oktober im Museum für Geschichte; „Chow Down“, Auftragswerk von steirischer herbst 2019 am 12. Oktober in der MariaVerkündigungskirche