Die Rosas boten mit „Mitten wir im Lebens sind/Bach6Cellosuiten“ einen starken Auftakt mit Anne Teresa De Keersmaekers Choreografie zu J.S. Bachs Cellosuiten. Bis zum 12. August sind beim Wiener Sommerfestival wieder täglich im Schnitt drei bis vier Performances an unterschiedlichen Spielorten zu sehen und lädt ein umfangreiches Workshop-Programm zum mittanzen ein. Der Reigen starker Frauen wird unter anderem mit Marie Chouinard, Louise Lecavalier oder Florentina Holzinger fortgesetzt.
Bachs komplizierte sechs Suiten für Violoncello gehören zum Repertoire der besten Cellisten. Wer diese mathematisch strukturierte Partitur in Musik umwandeln kann, vermag große Klangerlebnisse zu verschaffen, wie der Kanadier Jean-Guihen Queyras. Wenn dann eine Choreographin wie die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker dessen Tonwelt in Tanzsprache überführt, dargeboten von den formidablen Rosas, dann können Glücksmomente enstehen, in denen reiner Klang mit reiner Bewegung verschmilzt.
„Mitten wir im Lebens sind/Bach6Cellosuiten“ war der erste Top-Act des Wiener Tanzfestivals im Burgtheater. Keersmaeker ist eine hochmusikalische Analytikerin und versteht es wie kaum jemand, Bachs abstrakte Konstruktionen zu visualisieren und in energetischen, körperlichen Schwung zu versetzen. Großartig, wie zwei Tänzerinnen und drei Tänzer phrasengenau in Spiralen, Kreisen, Drehungen um die Achsen Horizontale, Vertikale und das Cello Queyras‘ fließen. Es geht hier nicht um einen emotionalen Ausdruck, sondern um einen Austausch von Musik und Tanz. Besonders in der sechsten Suite, wo auch Stillstand und Stille mitspielen, entstehen wie nebenbei berührende Minuten, die nichts bedeuten, aber alles sind. Schade, dass Keersmaeker selbst wegen eines Reitunfalls nicht wie geplant mittanzen konnte.
Auch die nächsten Highlights wurzeln in Kanada: Marie Chouinard, Leiterin der Tanzbiennale Venedig und eine ebenso sinnliche wie phantasievolle Choreographin, zeigt mit ihrer Compagnie „Radical Vitality“ (ab 24. Juli). Wieder einmal zu Gast ist eine der weltbesten und Tänzerinnen, Louise Lecavalier, ehemalige Protagonistin von „La La La Human Steps“. Das Tanzen hat sie schon David Bowie beigebracht, und ihre schnellen Drehungen waren atemberaubend (an 7. August).
Österreich ist prominent vertreten mit Florentina Holzinger, die in ihren schrillen und trashigen Performances einen Mix aus Akrobatik und Tanz zeigt. Diesmal dekonstruiert sie Georges Balanchines ikonisches Ballettwerk „Apollon Musagéte“ und verwandelt es in ein orgiastisches Zauberstück, sogar mit Magiern (ab 1. August).
Festival ImpulsTanz, Anne Teresa De Keersmaeker & Jean-Guihen Queyras / Rosas „Mitten wir im Lebens sind/Bach6Cellosuiten“ am 14. Juli 2018 im Burgtheater. Performances und Workshops bis 12. August an verschiedenen Spielorten.
Der Text ist ein Originalbeitrag für die Kleine Zeitung am 17. Juli 2018