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01 Bassano okenawaB.motion Danza, das Tanzfestival von Bassano del Grappa im Rahmen des sommerlichen Festivals Operaestate in Venetien, legte dieses Jahr seinen Schwerpunkt auf Österreich. Mit Produktionen von Chris Haring / Liquid Loft, Luke Baio & Dominik Grünbühel, der Compagnie Simon Mayer, Navaridas & Deutinger sowie Liz King als Leiterin der Dance Well Workshops im Stadtmuseum machte der heimische Gegenwartstanz im internationalen Rahmen des zeitgenössischen Tanzes mehr als nur gute Figur.

Mit einer Mischung aus Abendfüllern, Kurzstücken sowie Workshops für alle und speziellen Trainingsmöglichkeiten für junge TänzerInnen ist Bassano del Grappa seit Jahren für eine Woche im August zum Treffpunkt der internationalen Tanzszene geworden. Als Partner zahlreicher EU-Projekte hat der Tanzkurator Roberto Casarotto (Direktor des Balletto di Roma) das malerische Städtchen als internationales Tanzzentrum etabliert – nicht zuletzt ist es mit „Centro per la Scena Contemporanea - Comune di Bassano del Grappa“ (CSC) in der Garage Nardini, wo unter anderem das ganze Jahr über Künstlerresidenzen stattfinden, Mitglied des European Dancehouse Network.

oona panozzoAerowaves-Entdeckungen

Die Gemeinde Bassano del Grappa ist als Trägerin des CSC auch Partnerin des renommierten EU-Netzwerkes Aerowaves, das junge Künstler aus ganz Europa durch Tourneemöglichkeiten unterstützt. Eine der diesjährigen vom Aerowaves-Partnergremium ausgewählten Top 20 ist Oona Doherty aus Belfast. Ihre Performance war einer der Höhepunkte der diesjährigen B.Motion-Ausgabe. Der jungen, bereits mehrfach ausgezeichneten Künstlerin gelingt es mit äußerst sparsam gesetzten Aktionen, verbalen Versatzstücken und präzisem Timing ein Tableau nordirischer Lebensart auf die Bühne zu zaubern. Wie eine Collage fügen sich die Textfetzen, kurzen Bewegungsexplosionen und Interaktionen mit dem Publikum zu einem Bild zusammen. Als ob wir mit der weißen Figur, die uns diese Erfahrungen vermittelt, auf eine transzendentale Reise gingen und die Welt von einer außerirdischen Perspektive sehen, wie es übrigens auch der Titel verspricht: „Hope Hunt and the Ascension into Lazarus“ ist großartiges Theater zwischen Street Dance, Tanztheater und Aktionismus.origami panozzo

Eine ungewöhnliche Performance kreierten Satchie Noro und Silvain Ohl. Inspiriert von der japanischen Papierfaltkunst „Origami“ transformierten sie einen Schiffcontainer zu einem faltbaren und wandelbaren Bühnenraum. In Bassano del Grappa bildete der Park den malerischen Hintergrund für die Freiluftperformance. Magische Momente entstehen, wenn die zierliche, bunt gekleidete Tänzerin mit artistischem Geschick zwischen den Ebenen wechselt, auf den Containerkanten balanciert oder sich hinter den Wänden teilweise versteckt während sich die Blechteile des Containers durch Zugseile gleichzeitig zu neuen Mustern formen.

Bassano baioMade in Austria

Ebenfalls in der diesjährigen Aerowaves-Auswahl: Luke Baio und Dominik Grünbühel mit „Ohne Nix“, das mit Authentizität die skurrilen Ideen (etwa durch den scheinbar uneditierten Videodialog der beiden Köpfe) umsetzt. Ihre witzige Annäherung an das Nichts kann ebenso philosophisch wie als hinterfotzige Anspielung auf so manche zeitgenössische Tanzpraxis verstanden werden.Haring CandysCamouflage

Drei weitere Produktionen aus Österreich waren jeweils im abendlichen Hauptprogramm im Teatro Remondini zu sehen. „Candy’s Camouflage“ von Chris Haring /Liquid Loft überzeugte mit seinen professionellen medialen Verwirrungen wie eh und je. Anna Maria Nowak hat die Rolle der „karenzierten“ Stephanie Cumming übernommen und erwies sich der Herausforderung in die Fußstapfen der charismatischen Haupttänzerin dieser Compagnie zu steigen mehr als gewachsen. Katharina Meves. Karin Pauer und Nowak verkörpern weibliche Stereotypen in einer rasant bewegte Medieninstallation in Film-noir-Manier mit der für Chris Haring und Liquid Loft einzigartigen Präzision.

Bassano DeutingerEbenso professionell in ihrer Umsetzung sind Marta Navaridas und Alexander Deutinger  in ihren performativen Assoziationen zu Lady Diana (deren 20. Todestag dieser Tage gedacht wurde). In „Queen of Hearts“ liegt der Schwerpunkt auf dem Text, da bliebe durchaus noch mehr Spielraum für die Verkörperungen der Prinzessin über die von Deutinger angedeutenden Körperhaltungen und Schrittkombinationen hinaus. Das dramatische Element steuert das Duo mit beklemmendem Schlagzeuggehämmer und Schreiorgien bei. Die Person der Lady D. bleibt dabei ziemlich eindimensional: ziemlich naiv oder eine gequälte Seele, wie sie auch in den Medien überliefert ist.Bassano mayer

Als Abschlussproduktion präsentierte B.Motion Danza 2017 „Sons of Sissy“ von Simon Mayer. Die grandiose zeitgenössische Darstellung  alpenländischen Brauchtums thematisiert gesellschaftliche Zwänge ebenso wie heimatliche Geborgenheit in eindringlichen Bildern und Tönen. Die vier Darsteller Matteo Haitzmann, Simon Mayer, Patric Redl und Manuel Wagner sind ebenso großartige Tänzer wie Musiker und allein diese Kombination macht dieses Stück so besonders. Seit der Premiere haben sich die vier zu einer richtigen Compagnie zusammengespielt und übermitteln nun die Gender-Thematik greifbar verstörend und unmittelbar. Auch in Italien wurden Sisis Söhne vom Publikum frenetisch gefeiert.

leyton ceccon„Dance Well“

Im letzten Jahr hat Roberto Casarotto eine Möglichkeit gesucht, die zahlreichen Kirchen in der Stadt zu bespielen. Und sie im mittelalterlichen Gedicht „Stabat Mater“ gefunden, von dem es über 50 musikalische Kompositionen gibt. Zum zweiten Mal hat er nun Choreografien dafür in Auftrag gegeben. Die heurigen Ergebnisse von Patricia Okenwa aus Großbritannien und Hilde Elbers aus Italien waren einerseits auf den Raum, andererseits auf das weibliche Thema abgestimmt.

Pablo Leyton arbeitete für seine „Stabat Mater“-Version mit Tänzerinnen und Tänzern von „Dance Well. Movement Research for Parkinsons“. In dem berührenden Stück wird die Figur der Frau zur Initatorin empathischer Handlungen und zum gesellschaftlichen Bindeglied. Sie bringt den Ausgeschlossenen wieder in die Mitte der Gruppe. Aus der anonymen Masse maskierter Menschen, die nebeneinander agieren, werden Individuen, die einander wahrnehmen. Allmählich kommen sie sich näher und ziehen einander die Kleider aus. Aus der Gruppe in schwarz-weiß wird nun eine bunte Community in Badekleidung. Dem in Rom lebenden chilenischen Choreografen ist mit diesem partizipativen Tanzprojekt eine anspruchsvolle, mutige und eindringliche Umsetzung des Themas gelungen.

sciarroni cecconEbenfalls im Rahmen des Dance Well Projekts werden bei B.Motion tägliche Trainingseinheiten für Amateure angeboten. Heuer wurden die Vormittagssessions mit einer inklusiven, generationen-übergreifenden Gruppe von Liz King geleitet, die das Ambiente im Museo Civico als Impulsgeber für die Aufgaben nützte, die sie den Teilnehmern im Rahmen ihres choreografischen Workshops gab.

Die Arbeit in Museen ist aus dem EU-Projekt „Dancing Museums“ hervorgegangen, in der Kings Organisation „d.id – Dance Identity“ als Partner fungierte und das in Wien in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste stattfand. Mit dem CSC von Bassano del Grappa arbeitet sie regelmäßig in anderen EU-Projekten zusammen. (d.id ist ebenfalls Mitglied von Aerowaves). Aktuell ist das Projekt „Migrant Bodies“ in Vorbereitung, das im Herbst dieses Jahres startet.Bassano gribaudi

Im Rahmen der vorangegangenen Etappe dieses Projekts hat Alessandro Sciarroni mit MigrantInnen gearbeitet. Daraus entstand nun sein Solo „Chroma_don’t be frightened of turning the page“. Der minimalistische Drehtanz ist ein Musterbeispiel choreografischer Reduktion. Sciarroni dreht sich, einfach, gleichförmig, stetig, inmitten der Gemälde im Museum, die durch diese einfache Bewegungsintervention ebenfalls an Momentum gewinnen – zumindest nimmt man die Bilder nun verändert war. Abgesehen davon versteht es Sciarroni mit seiner Präsenz als Performer die Aufmerksamkeit zu fesseln und lässt die Zuseher an seiner Freude, die er beim drehen offensichtlich hat, teilnehmen.

Auch die italienische Choreografin Silvia Gribaudi setzte ganz auf die Strahlkraft der Interpretin. In „R.OSA (10 exercizi per nuovi virtuosismi)“ gibt die überaus charismatische und ebenso schwer gewichtige Claudia Marsicano Tipps, wie man zum Virtuosen wird.

Bassano sciarroni2Fazit

Mit seinen vielfältigen Aktivitäten ist etwa 40.000 Einwohner zählende Stadt Bassano del Grappa zu einem wichtigen Player im internationalen Tanzgeschehen geworden. Dass jedes Jahr so viele Tanzschaffende nach Bassano del Grappa zum B.Motion-Festival pilgern, liegt an der geschickten Verquickung von lokalen und internationalen Initiativen, an der Nachwuchsförderung mit hohem Qualitätsanspruch (mit Kurzstücken) und arrivierten zeitgenössischen Choreografien. Im kompakten, einwöchigen Trainingsprogramm arbeitet die nächste Tänzergeneration aus unterschiedlichen Ländern zusammen, die lokale Bevölkerung aller Altersstufen ist bei den „Mini B.Motion“- bzw. „Dance Well“-Stunden zum Mitmachen eingeladen. Das ganztägige Programm hat weniger Event- als partizipativen Charakter; und irgendwie ist B.Motion wie der Tanz von Alessandro Sciarroni – bei allen Aktivitäten wird das Zentrum niemals aus den Augen verloren. Denn Alles dreht sich um die Förderung des zeitgenössischen Tanzschaffens.

B.Motion Danza bei Operaestate in Bassano del Grappa von 21. bis 27. August 2017 (gesehene Veranstaltungen ab 24. August)

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