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Gauthier5Keiner wie er. Ein visionärer Teamplayer und Tausendsassa, der für den Tanz in all seinen mitreißenden Formen brennt – den Kopf voller Ideen, Projekte und ein untrügliches Gespür fürs Networking im kleinen Finger. Als Eric Gauthier – Ballettsolist und Rockband-Leader – beschloss, beim Stuttgarter Ballett das Handtuch zu werfen, um eigene Wege zu gehen, machte er sein Handy zum Portal einer neuen Karriere-Etappe. Und nervte zwei Tanzproduzenten so lange, bis sie ihn an- bzw. erhörten.

Gauthier wäre nicht Gauthier, würde er am Geburtstag seiner eigenen Kompanie diesen Moment nicht noch einmal groß in Szene setzen, um ihn mit Fans, ehemaligen Ensemblemitgliedern, Freunden und Kollegen zu teilen. Sogar Hans van Manen, der sich unter Anleitung des Charmebolzens auf das vor die Bühne drapierte rote Sofa fläzt und in die Rolle des Hausherrn Werner Schretzmeier schlüpft, darf in dem amüsanten Fünf-Stationen-Revival der ersten Stunden von Gauthier Dance mitspielen.

„Wer ko, der ko“, sagt man in Bayern – und Eric weiß genau, wo und wie er die Stimmung zum Kochen bringen kann. Sei es mit rührig-herzlichen Worten an den Freund und Coach Egon Madsen oder der Fortsetzung seines Kult-Solos „Ballet 101“. Kurz vor Schluss seines Jubiläumsprogramms „Big Fat Ten“, das am 1. März Premiere feierte, schickte er seinen jüngsten Kompaniezugang Theophilus Veselý (ein Cranko-Schul-Abgänger, der zuvor in Augsburg von sich reden machte) mit Partnerin Barbara Melo Freire ins Lichtquadrat. Im Fokus seiner menschelnd-satirischen Tanzparodie „Ballet 102“: ein Hightech-Paar-Ballett nach Ansage aus dem Off – Miniquerelchen inklusive. Mehr zu verraten würde einen Spoiler-Alarm bedeuten.Gauthier4
 
Gauthier2Dran bleiben ist manchmal alles. Nach jahrelangen Bitten bekam der umtriebige Kompaniechef zum 10-Jährigen von Nacho Duato endlich dessen Duett „Violoncello“ von 1999 „geschenkt“: das vielleicht schönste, sicherlich intimste Teilstück aus dem J. S. Bach gewidmeten Signaturstück des spanischen Choreografen „Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere“ (derzeit im Berliner Staatsballett-Repertoire). Maurus Gauthier als bogenschwingender Musiker, der den Körper seines Instruments quasi zum Tönen und Partnerin Sandra Bourdais wunderbar zum pfiffigen Mitagieren brachte, hätte man gern noch länger zugesehen.

Doch da ging es schon weiter mit dem „besten Männerduett aller Zeiten“: Rosario Guerra und Jonathan dos Santos nahmen das Format Tanzperformance auf die Schippe und redeten sich – natürlich virtuos dazu tanzend – um Kopf und Kragen. „My best enemy“ – eine furiose Mitmach-Uraufführung – ist Itzik Galilis Abrechnung mit Choreografen-Kollegen. Mitsamt Marylin-Monroe-Verschnitt (Alessandra La Bella) nimmt er darin das vermeintlich ernste Genre Ballett aufs Korn und stellt zugleich seine phänomenale – da super interpretiert – Tollheit mit aus.Gauthier3

Für Gauthiers extrovertiert-melancholische Super-Ladies in glitzernden Abendkleidchen Garazi Perez Oloriz, Anneleen Dedroog und Franceska Ciaffoni kreierte kein geringerer als Johan Inger „Sweet, Sweet“. Der Clou dabei: Er legt den drei Grazien, die von Mario Daszenies stimmungsvoll ausgeleuchtet auf Bahnen aus Glitter-Sand ihre hüftschwungseligen Shows abziehen, Jeff Buckleys tiefe Songstimme in den Mund.

Gauthier1Dass die beiden neuen Gruppenstücke „They’re in your Head“ von Alejandro Cerrudo und Rausschmeißer „Streams“ von Andonis Foniadakis sich ästhetisch etwas zu nahe kommen, macht da schon nix mehr aus. Hie eine Bewegungsdüsternis mit ästhetisch genialem Beiwerk (aus den Tänzer-Jacken dampft bis zuletzt Nebel), da eine möglicherweise einen Tick zu lange Variationsetüde aufs Pas de quatre.

Nach sieben Stücken ist der Abend zu Ende. Im Kopf aber hat man immer noch das Opening: „Prélude à l‘après-midi d’un Faune“ von Marie Chouinard. Unvergleichlich expressiv getanzt in maskulin-erotisch-aufgeladener Manier von Anna Süheyla Harms. So sieht Erfolg aus.

Gauthier Dance „Big Fat Ten“, Premiere am 1.3., weitere Vorstellungen von 21. bis 24. April, 10. bis  14. Mai und von 7. bis 11. Juni im Theaterhaus Stuttgart