Großes Schauspielertheater auf einer kleinen Kellerbühne, das ist das Theater franzjosefskai21 von Alexander Waechter. Der Josefstadt-Schauspieler hat vor vier Jahren das ehemalige Theater am Schwedenplatz aus eigenen Mitteln angemietet und renoviert und spielt seither dort vorwiegend Soloprogramme. Zur Zeit steht „Der Baron Bagge“ von Alexander Lernet-Holenia auf dem Spielplan.
Mit der Dramatisierung von „Der Baron Bagge“ hat Waechter einen Autor wieder erweckt, der trotz seiner Erfolge in der Nachkriegszeit beinahe vergessen ist. Dabei wurde gerade dieses Buch von Hilde Spiel, Friedrich Torberg oder Marcel Reich-Ranicki als ein Schlüsselwerk der phantastischen Literatur seiner Zeit gelobt wurde. Baron Bagge erzählt darin seine Geschichte, die er als Soldat im Ersten Weltkrieg erlebte, eine Geschichte zwischen Realität und Traumwelt. Alexander Lernet-Holenia hat in seinem Buch aus dem Jahr 1937 alles Überflüssige weggelassen, sich auf die Essenz konzentriert, und das mit einer überaus eleganten Sprache. Die Novelle eignet sich sehr gut als Theaterstück, denn konfliktive Emotionen wechseln hier innerhalb kürzester Zeit.
Alexander Waechter hat bei seiner Inszenierung – sie entstand in Zusammenarbeit mit der im Oktober verstorbenen Regisseurin Birgit Doll – auf die Rahmenhandlung verzichtet und steigt direkt in Bagges Erzählung ein. Dadurch ist der Monolog von Anfang an lebendig. Die Kriegsgeschehnisse und der Einsatz des Nachrichtendetachements unter einem durchgeknallten Kommandanten, dem Bagge als Offizier untersteht, macht Waechter mit Intensität spürbar. Man erfährt, dass die gesamte Schwadron ausgelöscht werden wird, er einer der wenigen Überlebenden sein wird. Doch voher soll Bagge noch der Liebe seines Lebens begegnen. Die Beziehung zu Charlotte in einem von Feinden scheinbar unberührten Städtchen und der Wahnsinn des Rittmeisters von Semler, der den Feind verzweifelt sucht, wo er nicht ist, sind die Kontrapunkte, die Waechter in seinem Spiel dramatisch vor Augen führt. Die Auflösung der Geschichte sei hier nicht verraten – Waechter erzählt sie mit einer nostalgischen Note.
„Besorgen sie sich ein eigenes Theater, sonst spielt sie keiner“, steht am Eingang des Theaters Franzjosefskai21. Waechter hat diesen Spruch von Bertold Brecht zum Glück befolgt und mit diesem kleinen, von öffentlichen Förderungen unabhängigen Privattheater ein kleines Juwel mitten in die Stadt gepflanzt. Nach „Der Hofnarr des Volkes“ (über Karl Valentin und Liesl Karlstadt) und „Wittgensteins Neffe“ von Thomas Bernhard war „Der Baron Bagge“ die dritte Produktion, die ich gesehen habe. Es ist „armes Theater“, wenn es um das Bühnenbild oder die Beleuchtung geht. Einfache Requisiten beschreiben den Ort, bei „Baron Bagge“ sind es drei mit Sätteln aufgezäumte Tischböcke. Doch Waechter ist wohl das, was man als „Vollblutschauspieler“ bezeichnet – mit seinem intensiven und gleichzeitig wohl dosierten Spiel kreiert er im Alleingang überaus spannendes Theater.
„Der Baron Bagge“ von Alexander Lernet-Holenia mit Alexander Waecher im Theater Franzjosefskai21. Gesehene Vorstellung am 18. November, weitere Termine: 19. bis 21., 24. bis 28. November, 2. bis 5., 8. bis 12. Dezember 2015