Als der Begriff „Tanzpaar“ noch jene eigene Werkkategorie repräsentierte, in der sich Ballett, Ausdruckstanz und Akrobatik zu einer Einheit formten, leuchtete der Name Jury Tagunoff mit seinen Partnerinnen Annette (in den Dreißiger- und Vierzigerjahren) und Hedy Jarosch (in den Fünfzigern) am Varietéhimmel. Ob die legendäre Scala und das Kabarett der Komiker in Berlin oder das Ronacher in Wien: Tagunoff mit seiner jeweiligen Partnerin zählte zu den „Starnummern“ des Programms.
Am 9. Februar ist der 1916 im russischen Kulebaki geborene Tänzer, Choreograf, Ballettmeister und Pädagoge im 99. Lebensjahr in Wien gestorben. Vertrieben durch die Russische Revolution, war die Familie Tagunoff 1920 nach Wien gekommen. Ausgebildet zunächst bei Willy Fränzl und später bei Hedy Pfundmayr, feierte der junge Tagunoff 1934 in dem Stück „Der Stern der Manege“ im Zirkus Renz sein Tänzerdebüt. Nach Erfolgen in Berlin kehrte er als Solotänzer am Raimundtheater zurück nach Wien. Nach dem Krieg war er Solotänzer des Pfundmayr-Balletts und führte nach Pfundmayrs Tod ihre in den Zwanzigerjahren gegründete Schule als „Studio Pfundmayr-Tagunoff“ fort. Weitere Stationen seiner Bühnenkarriere waren ein eigener Tanzabend im Wiener Konzerthaus und Auftritte im Rahmen der Wiener Staatsoper (in dem von Willi Forst inszenierten „Orpheus in der Unterwelt“ in der Volksoper) sowie bei den Festspielen in Bregenz und Mörbisch. Gastspiele und Tourneen führten ihn nach Deutschland, in die Schweiz, nach Belgien, Holland, Spanien und Ägypten. Rosalia Chladek machte ihn und Hedy Jarosch zu den Hauptdarstellern ihres Films „Gigant und Mädchen“, im Rosenhügel-Filmballett tanzte er in Choreografien Pfundmayrs. Seine mimische Kunst war erst unlängst wieder in der ORF-Ausstrahlung der Verfilmung von Joseph Roths „Stationschef Fallmerayer“ aus dem Jahr 1975 zu bewundern, in der er die stumme Rolle des Grafen eindrucksvoll verkörperte. Tagunoffs Wirken als Pädagoge war fächerumspannend: Aus den Generationen der von ihm Ausgebildeten seien nur drei Persönlichkeiten hervorgehoben: Anita Kristina, Primaballerina sowohl der Deutschen Oper Berlin als auch der Hamburgischen Staatsoper, die Schauspielerin Eva Kerbler und die Olympiasiegerin Beatrix Schuba.