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UlrikeAuf bildnerischer Ebene hat es uns der diesjährig hoch gefeierte Carl Spitzweg schon gezeigt: Der „arme Poet“ – die Idylle des unterm Regenschirm in der Bettstatt kauernden Gedichteschreibers – gibt es ja auch ganz schön wieder: Raunz nicht – quäl Dich durch, Bohème! Doch nicht nur die Kolleg*innen der schreibenden, malenden, bildhauernden Zunft kennen diese Zustände. Noch mehr jene, die ephemere Künste pflegen, also „vergängliche“ Bühnen-, Theater-, Tanzkunst. 

Erinnert wurden wir dieser Tage besonders durch ein politisches Vorhaben, das den Nationalrat passierte: Dieser hat Mitte Dezember das Zuverdienstverbot zum Arbeitslosengeld ab 1.1.2026 bestätigt. Die Chance, das Gesetz vor Inkrafttreten grundsätzlich zu reparieren, haben die Abgeordneten trotz eindringlicher Warnungen vergeben. Damit verschlechtert sich die soziale Absicherung von Arbeitslosen – besonders jener, die bereits jetzt am finanziellen Limit leben, wie alle Studien belegen: Frauen, Alleinerziehende, Armutsbetroffene sowie Menschen mit atypischen Erwerbsrealitäten und sehr geringem Arbeitslosengeld, das nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht.

Ulrike Kuner, Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit und Vorstandsmitglied im Kulturrat Österreich: „Besonders betroffen sind natürlich unsere Branchen mit komplexen, hybriden oder unregelmäßigen Beschäftigungsformen, also Theater und Tanz oder auch Zirkus mit kurzen Anstellungen, projektbasierten Tätigkeiten und parallelen Einkommen.“

SPÖ-Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler gab in einem Nebensatz seines Statements sogar zu, dass „typische Erwerbsbiografien für Kunst- und Kulturschaffende nicht gelten“. Als Lösung wird darauf verwiesen, dass das Kulturressort gemeinsam mit dem Sozialministerium an „tragfähigen Regelungen“ arbeite, auch über die Frage der Zuverdienstmöglichkeiten hinaus.

Ulrike Kuner: „Das ändert nichts daran, dass wir jetzt, ab Jänner, diesen strengen Regelungen unterliegen und nicht wissen, ob es zu Erleichterungen kommt.“

Die IG Freie Theaterarbeit hat noch am Tag des Gesetzesbeschlusses eine Umfrage unter ihren rund 2.000 Mitgliedern gestartet und – über Nacht – mehr als hundert Antworten erhalten. Ein Credo: „Wir wollen arbeiten!“ 

Eine der Befürchtungen: „Die kleineren Jobs, von denen bisher die Freien teilweise leben konnten, wandern jetzt noch mehr zu denen, die Fixanstellungen haben.“ Klar, wenn der Auftraggeber sicher sein kann, dass er nicht „illegale“ Arbeitsverträge abschließt, wenn die Künstler*innen im Rahmen des AMS gemeldet bleiben.

Eine, die es wissen muss und die auf interessenpolitischer Ebene – unter anderem in der IG Freie Theaterarbeit – für das Fortkommen der Kolleg*innen eintritt, ist die Choreografin und Tanzpädagogin Inge Gappmaier. Gappmaier

"Kunst kann ihren für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen Auftrag nur dann erfüllen, wenn diese Arbeit auch gesellschaftlich anerkannt und entsprechend gefördert wird. Dazu braucht es nachhaltige Grundsicherungen und Rahmen, die der Komplexität und den vielfältigen Dynamiken des Feldes entsprechen. Es muss endlich verstanden werden, dass künstlerische Arbeit über das Präsentieren der Arbeit hinausgeht und projektbasiertes Arbeiten sowie kurzzeitige Engagements die Norm sind. Gute Kunst kann nur entstehen, wenn die Menschen, die diese erarbeiten nicht ständig unter Existenzängsten leiden müssen.“

„Lustig ist so ein Künstlerinnenleben! Ist es das?“

„Klar ist es ein wunderbares Privileg, mit einem Talent ausgestattet zu sein, das einen auf die Bühne bringt“, meint Eleonor L., die ihren richtigen Namen nicht gerne in der Öffentlichkeit lesen möchte. Sie ist studierte Tanzwissenschafterin, hat mehrere Tanzpädagogikausbildungen, ist zertifizierte Pilates-Trainerin. Sie wagte, nach mehreren Jahren Fixanstellung in einem „Brotberuf“, den Sprung in die künstlerische Selbständigkeit. Doch: wie durch ein böses Wunder (vielleicht auch durch Corona-Nachwehen) ließ das seinerzeit große Interesse an ihren Workshops und Kursen nach. „Ein, zwei Performances pro Jahr, faszinierend, aber gerade ein halbes Monat Existenz sichernd, bildeten schwache Grundlagen, selbst für ein bescheidenes Durch- und Auskommen“, erzählt Eleonor. Und der Tanzunterricht, häufig gegeben für Klassen ebenso prekärer Kolleg*innen, brachte Stundenlöhne von 20-30 Euro.

Wie auch IG-Chefin Ulrike Kuner bestätigt, ist es für die KünstlerInnen ganz wichtig, stets im Gespräch zu bleiben. „Das geht nur durch ständiges Netzwerken, Mitwirken auch bei Lowest-Budget-Produktionen – wenn es sich irgendwie ausgeht. Sonst bist Du weg vom Fenster“, sagt die Interessenvertreterin. - 

Eleonor kaufte im Sozialmarkt ein, und wenn sie zu ihren Eltern in Westösterreich fuhr, vermietete sie ihr WG-Zimmer in Graz, auch wenn es nur für zwei Wochen war. – Nach eineinhalb Jahren war für Eleonor Schluss mit dem freien Künstlerinnendasein und sie startete wieder in ihren regelmäßig und gut bezahlten Brotberuf. 

Womit der Teufelskreis sich wieder zu drehen begann: Weg vom Fenster künstlerisch-kultureller Präsenz, oft keine Zeit, an kleinen, aber attraktiven Produktionen teilzunehmen.

Über die IG Freie Theaterarbeit

Die Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit bietet ihren Mitgliedern (Rechts-)Beratung, Interessenvertretung, Info-Leistungen wie Kalkulationstools u.v.m. Laut Geschäftsführerin Ulrike Kuner werden jährlich rund 1.400 Beratungen und 60 Online-Informationsveranstaltungen durchgeführt. https://freietheater.at/

Tipp für Romantiker*innen

Wer Wahnsinn, Sucht, Genialität, Reichtum und Prekariat an einer einzigen Person nachvollziehen möchte, dem empfehle ich Steffen Schröders großartigen Biographie-Roman: Der ewige Tanz. Anita Berber. ISBN-13: 978-3-7371-0204-9; Rowohlt, Berlin (2025).

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