Silke Grabinger ist Tänzerin, aber nicht nur. Nach ihrem kürzlich abgeschlossenen Studium bei Elsa Prohazka an der Kunstuniversität Linz ist sie auch Bachelor of Arts (der Doktortitel soll folgen, wenn sie wieder Zeit und auch Lust hat), bildende Künstlerin, Akrobatin und mehrfache Preisträgerin in unterschiedlichen Sparten.
Ihre Vita passt bereits in ein dickes Buch mit Bildern aus Kanada, Afrika und halb Europa. Die Künstlerin SILK ist knappe 28 Jahre alt.
Blond und blitzgescheit, blauäugig, doch keineswegs naiv; den Kopf in den Wolken, aber die Beine fest auf dem Boden, auch wenn sie diese samt dem durchtrainierten Körper als Luftakrobatin mitunter in den Himmel schwingt; zielstrebig mit dem Wunsch niemals am Ziel zu sein; begeisterungsfähig, neugierig und selbstbewusst und berstend vor Energie. Das ist Silke, SILK, Grabinger. Mit Mut und Durchsetzungskraft ist sie vom Straßenpflaster ins Sternenzelt des Cirque du Soleil gewirbelt und wieder zurück in die Heimat Linz getanzt. Sie will die Tanzszene revolutionieren und schräge, urbane Kultur mit der etwas verschlafenen Hochkultur verbinden. Ein erstes Beispiel davon hat SILK bereits mit „Slik“ gezeigt. Erarbeitet wurde die originelle Produktion gemeinsam mit dem Choreografen Roderich Madl und ihrem Team SILK (ein offener Pool von Künstlern aller Sparten sowie ihr Kurzname in der urbanen Szene von Hip-Hop und Graffiti). „Das sind ganz individualistische, wettbewerbsorientierte Formen. Ich will aber auch im Team arbeiten, und trotzdem meine Freiheit behalten. Ich will eine Brücke bauen zwischen diesen extrovertierten urbanen Formen und dem zeitgenössischen Tanz. Alles soll ineinander fließen, auch die verschiedenen Kunstformen, Video und Musik, Akrobatik und Tanz.“
„Slik“ wurde zum Dauerbrenner, die Integration der Szenen war gelungen. Nach der Uraufführung bei der Sommerszene Salzburg, reüssierten Grabinger und Madl beim Festival „Österreich tanzt“ in St. Pölten und zeigten das rasante Tanzstück auch in Mozambique und Johannesburg. „Das war ein totaler Erfolg. Die Reaktionen waren jedoch ganz unterschiedlich, wie eben auch die Kultur und Gesellschaft in Europa, Afrika oder Südafrika “ Schließlich wurde das Kultstück für „choreografische Dichte und komplexe Bearbeitung“ mit dem Tanztagepreis 2009 von Linz09 und dem Posthof ausgezeichnet.
Um „die Bewegung in den Tanz zurück zu bringen“ scheut SILK auch vor Experimenten nicht zurück. In mehr als zweijähriger Arbeit will sie ihr Projekt „Versuchsperson“ mit sechs ganz unterschiedlichen Choreografen erarbeitet haben. „Es gibt kein Thema, das hat die Choreografen anfangs irritiert. Es sollen auch nicht sechs kleine Szenen werden, ich will ein ganzes Stück haben. Das Thema, oder der Kitt ist eben der Körper, mein Körper.“ Der konkreten Arbeit ging ein langwieriger Kennenlernprozess voran. „Ich hatte ja keinen Namen in der zeitgenössischen Tanzszene, niemand kannte mich und wusste, was ich wollte. Das war ein total spannender Prozess.“ Mit großen Augen steht SILK dann neben sich und beobachtet wie der Choreograf mit Silke arbeitet. Die Premiere des 60-Minuten-Stücks soll 2011 bei ImPulsTanz stattfinden. Daneben, doch keineswegs nebenbei, arbeitet das Multitalent an einer „Riesenproduktion“ für das Linzer Straßenfest „Pflasterspektakel“ im Juli. Über den Köpfen des Publikums werden die Künstler und Künstlerinnen an Drahtseilen hängend ihre Performance zeigen. Mit ernstem Blick korrigiert Grabinger den Ausdruck „Event“. „Es wird eine künstlerische Darbietung. Ich lege Wert auf ein hohes Niveau und hoffe, dass ich das auch immer halten kann.“
Der Ballettunterricht, in den die Mutter das junge Tanztalent geschickt hat, machte wenig Eindruck: „Zu langweilig, zu wenig Freiheit.“ Die fand sie auf der Straße mitten in der männlich dominierten Streetdance-Szene. „Frauen waren da nicht vorgesehen.“ Sie ließ sich nicht entmutigen, gründete ihre eigene B-Girl-Crew (Female Artistics) und gewann 2001 den ersten Platz beim internationalen B-Girl Battle in Berlin. Auf einer Tanztheatertournee in England erreichte sie der Anruf aus Montreal: Der Cirque du Soleil wollte die Linzerin (als erste Österreicherin) im Team haben. Zweieinhalb Jahre tanzte Silke Grabinger in der den Beatles gewidmeten Produktion „Love“. Augen rollend erinnert sie sich an die schwierige und zugleich befriedigende Zeit: „Oft 10 Vorstellungen in einer Woche, 700 Mal im Ganzen. Du musst das Spiel mitspielen und doch deine eigene Meinung behalten. Da kommt es schon zu Konfrontationen. Doch ich habe die Zeit genutzt und viel gelernt.“
Aus der großen weiten Welt wieder zurück nach Linz: „Da ist für mich Heimat, darf ich sagen: Liebe? Mir wird ganz warm, wenn ich an Linz denke. Hier kann ich so viel tun. Mit meinen Ideen und dem eigenen Stil hoffe ich einiges aufzubrechen.“ Geöffnet ist bereits das Linzer Landestheater, in dem die Künstlerin gemeinsam mit dem Tänzer Martin Dvo?ak und dem Sänger-Schauspieler Karl M. Sibelius Andersens Märchen für Erwachsene tanzt. In stets ausverkauftem Haus.
Mit freundlicher Genehmigung von Die Presse / Kultur Spezial
Die nächsten Daten:
Anfang Juli stand Silke Grabinger unter Sibelius’ Regie in „Überdosis G’fühl“ auf der Bühne des Linzer Landestheaters.
Von 22. bis 24. Juli präsentieren SILK urban contemporary Dance & Art und Sicher UK „Drums, Breaks & Free Flow Aerial“ im Arkaden/Sparkassen Innenhof Linz.
Am 4. September wirkt SILK bei der „Klangwolke 2010“ in der lawine torrén / Hubert Lepka-Inszenierung „Baby Jet“ mit.
Silke Grabinger ist im Beitrag „Von der Hingabe“ in der Kurzfilmreihe „Mit anderen Augen sehen ... Viktor Frankl“ zu sehen.
Mehr über die Künstlerin auf www.silk.at