Drei Fahnen, drei Kapitel: Die Rüstung, die Liebe, der Tod. Bryana Fritz und Thibault Lac deuten in ihrer Performance „Knight-Night“ den Klassiker „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes, inspiriert von dem 1986 veröffentlichten Buch „Die Geschichte der Don Quixote. Ein Traum“ der US-amerikanischen „Punk“-Autorin Kathy Acker, um als eine queer-feministische Geschichte zwischen Traum und Realität.
Wie einen Dialog zwischen PerformerInnen, Sound, Licht und Publikum legen die in Chicago geborene und derzeit in Brüssel lebende Choreografin, Tänzerin und Autorin Bryana Fritz und der studierte Architekt und Tänzer Thibault Lac ihre im März 2022 im CNDC-Angers erarbeitete Performance an. Um Platz zu nehmen müssen wir an den beiden, die wie zwei unruhig trappelnde Pferde am Rand stehen, vorbei. Direkter Kontakt zum Publikum wird immer wieder gesucht.
Ein halbtransparenter Vorhang aus Plastik-Lamellen trennt die Bühne von einem zuweilen auch bespielten Backstage-Bereich ab, wird aber auch zur Guillotine und zur Membran, hinter der sich Wandlungen vollziehen, zur Membran zwischen Leben und Tod. Mit Tanz, Musik und elektronischem Sound (von Tobias Koch), Licht (Alice Panziera), performativen, Slapstick-, theatralen und Musical-Elementen und viel ein- und live gesprochenem Text in englischer und französischer Sprache führen sie mit Illusion, Fantasie und Fiktion durch assoziative, skurrile und auch reale Welten ihrer vielen Protagonisten.
Feste, eindeutige Identitäten verflüssigen sich. Die Frage nach dem „Wer ist wer oder was?“ wird ständig neu gestellt. Sancho Panza fluktuiert zwischen Pferd, Hund, Komplize, Freund, Geliebtem. Señora Don Quijote gleitet durch diverse, auch Sanchos Nämlichkeiten. Die Kostümierung wechselt häufig, deutet nur an. Fragmente von Rüstungen, Kettenhemden zum Schutz von Kopf und Brust, ein Latex-Röckchen für Thibault, Casual für Bryana am Ende.
Welch ausdrucksstarker Tänzer Thibault Lac mit seiner einzigartigen Präsenz und Ausstrahlung ist, konnte man in seinen Auftritten mit Tore Wallert, Tobias Koch und Alexandra Bachzetsis im Tanzquartier Wien und in der Kompanie von Trajal Harrell bei ImPulsTanz bereits erleben. Bryana Fritz, die in Wien zuletzt in 2023 bei den Wiener Festwochen performte, steht ihm ebenbürtig zur Seite. Und singen können beide auch noch. Sie singt in einem konzertanten Teil davon, einen unmöglichen Traum zu träumen.
Die Don Quijote lotet gemeinsam mit ihrem vielgestaltigen Partner die Handlungsspielräume eines ritterlichen, feministischen Aktivismus' aus. Ihr Weg führt durch die drei Sektionen Rüstung, Liebe und Tod. Innere Rüstungen, angelegt zum Schutz vor emotionaler Verletzung, schützen auch zuverlässig vor Liebe. Sie legen immer mehr davon ab, machen sich angreifbar, aber auch greifbar. Den Kampf mit den Windmühlen machen sie zu einem mit dem blendenden Licht aus der Mitte des Publikums, zu einem mit dem Gegenwind aus der Mitte der Gesellschaft, deren konsolidierten Werten und Normen sie den Krieg erklären. Der Tod ist der der alten Werte.
Das Lied „Mourir sur scène“ („Sterben auf der Bühne“) der einstigen Diva Dalida taugt dazu, den Aktivismus mancher in ein anderes Licht zu rücken. Und „I Would Die 4 U“ von Prince ist schwerlich noch erkennbar. Auch Lieder des Chansonniers Jaques Brel erklingen. Sie setzen ihren Tanz als physisches Gewebe unter Texte und Musik. Letztere hat mit ihren Verfremdungen und Bearbeitungen, die das Ausgangsmaterial bis an die Unkenntlichkeit treiben, einen destruktiven Charakter und nimmt damit allen möglichen Romantisierungen des Stoffes ihre Basis. Trotzdem: Poesie entsteht, insbesondere aus den vielen Brüchen und Andeutungen, mit denen sie sich durch das Stück arbeiten.
„Knight-Night“ erzählt von Partnerschaft, Zusammenhalt, Fürsorge und Zärtlichkeit, vom sich verletzlich und dadurch offen machen für die Liebe. Das Tragisch-Komische der Original-Figuren verkehrt sich mit vielfältigen Wechselwirkungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in die berührend poetische, unsterblich hoffnungsvolle, idealistische Attitüde von Kämpfern für Freiheit und Gleichheit. Mit ihrem letzten Tanz öffnet sie sich. Aufrecht und erhobenen Hauptes geht sie am Ende dem immer heller werdenden Licht aus dem Publikum entgegen. Das Kettenhemd nimmt sie mit. Wie ein Souvenir aus der Vergangenheit.
Bryana Fritz & Thibault Lac mit „Knight-Night“ am 18.02.2024 im Tanzquartier Wien.