Mit einem abwechslungsreichen Programm eröffnete das Wiener Staatsballett seine Saison in der Volksoper. Umrahmt von zwei Stücken aus dem Jahr 2000 – Martin Schläpfers „drittes Klavierkonzert“ und Paul Taylors „Dandelion Wine“ – standen „Ligeti Essays“ von Karole Armitage aus dem Jahr 2007. Die Tänzer*innen des Ensembles des Wiener Staatsballetts an der Volksoper und das Volksopernorchester glänzten in allen dreien.
Der Titel des Abends stammt aus einem Gedicht von Sándor Weöres: „Es tanzt der Mond im weißen Hemd“. Seine Gedichte vertonte György Ligeti in Liederzyklen. Zwei davon sowie die Bearbeitung von Volkslieder in den „Vier Hochzeitstänze“ bildeten den musikalischen Rahmen für die "Ligeti Essays". Die Kompositionen sind typisch für Ligeti: Sie hüpfen, stoßen an, sie verlangsamen, laufen los, manchmal schmeicheln sie, oft sind sie voll musikalischem Humor. Rätselhaft und oft kurz und knapp wie Haikus, fügt sich der Tanz von Karole Armitage, passgenau und ganz organisch in dieses musikalische Universum aus Gesang, Schlagzeug, Klavier und Blasinstrumenten.
Die Bühne ist mit weißen Lichtröhren umrahmt mit der Silhouette eines silbernen Baumes (Bühne: David Salle). Drei Tänzerinnen in knappen schwarzen Trikots, und vier Tänzer in Shirts und Hosen (Kostüme: Peter Speliopoulos) vermitteln wunderbar die tänzerische Erfahrung der Choreografin, die ihre Karriere beim Ballet de Genêve unter Balanchine begann und drei Jahre später in die Merce Cunningham Company wechselte. Ende der 1970er Jahre beginnt sie zu choreografieren, und entwickelte eine Ästhetik, die das klassische Vokabular mit Einflüssen des Modern Dance verband und diese in den Kontext von populärer Musik stellte. Bald erreichte sie notorische Berühmtheit als Punk-Ballerina, bei deren Vorstellungen (wohl erstmals in der Geschichte) Ohrstöpsel verteilt wurden. Heute ist sie eine der vielseitigsten Choreograf*innen ihrer Generation, die mit ihrer Company Armitage Gone! Dance, an Opernhäusern, am Broadway, mit Pop-Größen wie Michael Jackson oder Madonna und Fashion Labels erfolgreich arbeitet.
Ihre „Ligeti Essays“ kommen leichtfüßig daher, mit pointierten Soli, lyrischen Pas-de-deux und ausgelassenen Gruppenszenen. Sie stehen in starkem Kontrast zu Martin Schläpfers dramatisches Stück, das den Abend eröffnete.
Der Titel „Drittes Klavierkonzert“ bezieht sich auf das Konzert für Klavier und Streichorchester von Alfred Schnittke. In diesem Stück dominiert eine einzelne Tänzerin – Mila Schmidt interrpetiert die Rolle ganz so, als wäre sie an ihr kreiert worden – das Geschehen, in dem es laut Choreografen um „die Schwierigkeit zu lieben“ geht, also um Beziehungen, um Abschied nehmen, um Verwerfungen und um Hoffnung. Im Bühnenhintergrund rollt sich der schwarze Prospekt mit funkelnden Steinen als eine Art Sternenhimmel nach oben hin auf, vor ihm agieren die Tänzer*innen mit schwarzen Kostümen aus denen die nackten Gliedmaßen in ausdrucksstarker Gestik hervorragen. Bis zu den Fingerspitzen durchchoreografiert, durchgehend in Schläppchen getanzt, thematisiert dieses Schläpfer-Stück, der Musik entsprechend, eine Collage an Gefühlen, deren Zusammenhang im Verborgenen bleiben.
Den Abschluss des Abends bildet Paul Taylors „Dandelion Wine“, eine Hommage an die Leichtigkeit des Sommers und die Wirkung des Löwenzahn-Weins. Gefällig und lächelnd feiern die Tänzer*innen ein fröhliches Zusammensein zu einem Violinkonzert von Pietro Locatelli. Die Freude der Barockmusik spiegelt sich in ihren Interaktionen wieder. Die weißen Kostüme von Santo Loquasto spielen mit Farben und Fortschreibungen. Einer (Keisuke Nejime) sticht aus den weißen, dezent farblich gegürteten Gestalten in Löwenzahn-Gelb hervor. Das Stück wird übrigens erstmals an einer Bühne einstudiert. Bisher wurde es ausschließlich von der Paul Taylor Company interpretiert.
Die Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts an der Volksoper begeisterten das Publikum in allen drei Werken ebenso wie das Orchester und die musikalischen Solist*innen, die unter der Leitung von Christoph Altstaedt (der bei den „Ligeti Essays“ auch am Klavier saß) souverän durch die unterschiedlichen Klangwelten navigierten.
Wiener Staatsballett: „the moon wears a white shirt”, Premiere am 12. November and der Volksoper. Weitere Vorstellungen am 17., 22. November; 4., 9., 12. Jänner, 1., 4., 8. Juni