Denn wissen sie, was sie tun? Diese übergeordnete Frage stellt neben solchen nach individuellen Lebenserfahrungen die Choreographin Jing Hong Okorn-Kuo (s. Kritik März 2018) im dritten Jahr ihrer Projektreihe MERK-WÜRDIG GEWÖHLICH. Sie stellt sie unter dem Titel „Walzern V. 22.5.60.e“ im Jahr 2022 an fünf Akteurinnen, an fünf Frauen in den 60ern.
Und sie wird gestellt an die ebenso in dieser Produktion agierenden Musik-Maschinen respektive an die hinter diesen agierenden Techniker.
Aus zumeist ruhigen Gesten und Bewegungen des Alltags lässt die Choreografin gemeinsam mit ihren fünf Laiendarstellerinnen kleine Handlungssequenzen entstehen. Sie basieren zum Großteil auf innerer Unsicherheit (Schulterzucken) und manifestieren sich in Bewegungen der Verdrängung (begleitet durch Zischlaute des Verscheuchens), der Abwehr und des Schutzes (vorgestreckte Arme bei Annäherung an das Publikum) oder auch der Angst, wenn sich einer der Musik-Maschinen von oben bedrohlich Richtung Darstellende senkt.
Die Töne und Geräusche der Maschinen sind nicht wirklich deutbar; oftmals werden sie auch von den Agierenden ignoriert; manchmal aber wird aus Unerklärbarem, Bedrohlichem immerhin ein fließendes Nebeneinander oder gar Miteinander von Mensch und Maschine: im gemeinsamen Takt beispielsweise.
Ob die hier vereinfacht und symbolisch präsentierte KI etwas ohne eingegebene Logarithmen „weiß“, wird bislang verneint. Dass aber auch die als Menschen Agierenden etwa beim Kommen und Gehen, beim sich Drehen, Laufen, beim Hinausgehen, - Schieben, -Ziehen tatsächlich einen Grund dafür haben, scheint ebenso eher fraglich. Vielmehr herrscht hier eine weitgehend undefinierbare „leere Kommunikation“, wie es eine Darstellerin in einem der wenigen verbalisierten Äußerungen formuliert. Oder, an anderer Stelle, viel Selbstzweifel sowie eine Infragestellung der Individualität mit den Worten: „Bin ich das?“,“ Aha, wirklich?“
Lebendig, greifbar und nachvollziehbar wird zielgerichtetes, bewusstes Tun dann am ehesten, wenn Emotionen ins Spiel kommen: Freude, Gelassenheit und Zufriedenheit; das Erfahren von Gemeinsamkeit und ihrer Kraft.
Das hier Dargestellte ist eine Art von abstrakter Abbildung unserer Alltagswirklichkeit, die sich in einer grundsätzlichen – und derzeit wohl besonders zu erlebenden – „Verlorenheit“ von Mensch und Maschine manifestiert; besonders markant in deren vertraut-fremdartigen Miteinander.
Die hier kreierte, eigenwillige-kühle Atmosphäre, lässt in etwa so viel offen wie sie aufdeckt und anstößt; und lässt auch länger nicht los.
„Walzern V. 22.5.60.e – eine performative Forschungsreise mir Menschen ab 60“, Premiere am 16. Dezember 2022 im FORUM STADTPARK, Graz.