Wenn das Festival La Strada mit künstlerisch verspielter Leichtigkeit wie jedes Jahr auf die Vielfalt alltäglicher Erscheinungsformen sowie auf die Potentiale menschlicher Aktionsfelder verweist, so kommt dem in dieser Zeit der erzwungenen Zurücknahme besonders große Bedeutung zu. Wenig überraschend also, dass das Interesse für das dichtgedrängte, gut einwöchige Programm groß und das Publikums besonders begeistert ist.
Kitt Johnson
Eine Einstimmung, um die Sinne zweckfrei und in neuer Art für im Grunde Bekanntes zu öffnen, bietet der Rundgang durch Örtlichkeiten eines wenig beachteten Grazer Bezirks: „Zwischenraum“ nennt die international tätige dänische Künstlerin Kitt Johnson ihr Projekt, das unspektakuläre, aber sehr wohl bemerkenswerte wie köstliche lokale Eigenheiten entdecken lässt. Ortsspezifisch eingestreut sind drei kleine Darbietungen junger Grazer Künstlerinnen: In einer charmanten Seh-Schulung lässt Juliane Spannring bewusstes Schauen erfahren und bringt sich dabei originell in Mini-Szenen zeitgenössischen Tanzes ein. Verbale Denkanstöße sind es, die Kateřina Ċerná in ihren nachdenklichen Kurztexten über Sprache und Identität – basierend wohl auf ihrem biografisch tschechoslowakischen Hintergrund – eindringlich zu präsentieren versteht. Lisa Mc Guire hat mit vier jugendlichen Darstellerinnen eine von diesen zum Teil auch akustisch unterlegte Bewegungssequenz erarbeitet; an einem „Un-Ort“ kreieren sie überzeugend zarte kleine Bilder: suchende, dynamische, nachdenkliche, aufbegehrende, aber auch fröhliche – wie es das Leben eben bereithält.
Cie La Migration
Aus dem satten Grün eines mächtigen alten Parks (von Schloss Eggenberg) nähern sich mit gesetztem Schritt zwei Gestalten und nehmen bedächtig Besitz von einem eisernen Ungetüm, einem Double File Rotativ, das in der Wiese aufgebaut ist. „Landscape(s)#1“, ein Dialogue-à-trois beginnt. Einer, bei dem der Tonangebende im fliegenden Wechsel seine Rolle tauscht oder sie auch teilt: mit einem oder mit zweien der Beteiligten. Während sie, Quentin Claudes und Nicolas Baurens, sich um und mit dem eisernen Gefährten schwindelerregend durch die Luft drehen, bewegen, gleiten, balancieren – meditieren. Ja, es ist eine Meditation im Gleichgewicht zartester wie muskelbewährter Kräfte, in Absprache kurzer Blicke. Ein Tanz um die Horizontale mit Mut zum Verharren, Stillstand. Unvergesslich zweifellos, diese ungewöhnliche Kreation Marion Evens, diese Hommage an das Perpetuum Mobile. Auch, weil Jean Christopher Feldhandler sie musikalisch ebenso feinfühlig wie individuell umhüllt.
Dorothea Steinbauer & Wolfgang Dobrowsky
Eine kongeniale Zusammenarbeit ist acht Grazer Künstlerinnen mit “Storyville – The Big Easy in Graz - Jazz passiert“ gelungen: Dorothea Steinbauer & Wolfgang Dobrowsky (Konzeption, Stückfassung, Regie und Schauspiel) kreieren hier gemeinsam mit Eddi Luis und seine Band in der Tat ein New Orleans im Zentrum von Graz. Vorerst in einer Nebenstraße mit Live-Musik aus 6 Fenstern; später in einem urigen Gastgarten, dessen altes, hölzernes Gartenhaus mit darin aufgehängter Weißwäsche eine Südstaaten-Kulisse par exzellence hergibt.
Die offenherzigen Texte voll Emotionalität, Bitterkeit, Melancholie und Poesie (entstammend insbesondere Steinbauers Feder) sowie Lebensfreude basieren auf wenigen Fakten aus Interviews. Und doch bieten sie hier und derart griffig dramaturgisch aufbereitet ein unerhört menschlich dichtes Abbild des Künstlers Buddy Bolden und der Atmosphäre seiner Zeit. Was immer alles also verbale Fiktion oder doch auch ein wenig Wahrheit ist: Seine mitreißend wie gekonnt interpretierte Musik ergibt in lückenloser, facettenreicher Vernetzung mit dem feinsinnigen Vortrag, der feinen Gestik und Mimik der beiden Schauspieler lustvollen Einblick in eine außergewöhnliche Welt der Kunst
Kitt Johnson X-act: „Zwischenraum“ am 29. August, Startpunkt: Dreihackengasse 32, Graz; Cie La Migration: „Landscape(s)#1“ am 29. August im Schlosspark Eggenberg; Steinbauer & Dobrowsky mit Eddi Luis and his Jazz Passengers: „Storyville – The Big Easy in Graz – Jazz passiert“ am 30. August, Startpunkt: Mariahilferstraße/Stigergasse
La Strada, 3. Satz läuft noch bis 5. September