Nicht nur Corona machte dem Choreographic Center Bleiburg/Pliberk (CCB) dieses Jahr einen Strich durch die Rechnung, auch das Wetter stellte die Lange Nacht des Tanzes in Feldkirchen vor Herausforderungen. Die meisten Darbietungen konnten nicht wie geplant im Freien stattfinden, sondern mussten in trockenen Räumen über die Bühne gehen. Der künstlerischen Leiterin Anna Hein und ihrem Ko-KuratorInnen Hans-Peter Horner und Mirjam Sadjak gelang dennoch ein bemerkenswertes Fest des zeitgenössischen Tanzes.
Immerhin fand die Eröffnung mit TänzerInnen aus zwei Feldkirchner Tanzschulen auf dem Hauptplatz noch unter freiem Himmel statt. Doch Eva-Maria Kraft musste ihr daran anschließendes Solo wegen dem einsetzenden Regen frühzeitig abbrechen.
Also stellten die VeranstalterInnen kurzfristig auf ein Indoor-Programm um ohne die Corona-Sicherheitsmaßnahmen zu vernachlässigen. Auf Abstand, Desinfektion und Maskenpflicht wurde penibel geachtet. (Die Sommer-Kulturveranstaltungen haben heuer ja auch die Funktion von Pilotprojekten in Hinblick auf den Saisonstart der Bühnen im Herbst. Die Lange Nacht des Tanzes gab diesbezüglich Vertrauen. So kann es gehen …)
Absurd und bissig-böse fiel das Portrait „Y“ von Yukie Koji aus. Zu Musik von Vivaldi und abstrusen Aussagen von Donald Trump verkörperte sie die Dummheit als ein hybrides Wesen zwischen Mensch, Tier und Puppe, das aufgrund seiner Unfähigkeit und unkoordinierten Aktionen am Ende sogar seine Hose verliert.
Die japanische Tänzerin und Choreografin war auch im Team der ersten CCB-Interaktion, bei der Künstler unterschiedlicher Sparten zusammenarbeiten – neben Koji waren das in diesem Jahr die Schauspielerin Sara Zambrano und der Musiker Manfred Plessl. „Uferlos“ war speziell für die Böschung an der Tiebel konzipiert und musste im strömenden Regen stattfinden. Die Performance, die Grenzsituationen untersuchte, nahm angesichts des zum reißenden Wildbach angeschwollenen Bächleins, für die beiden Akteurinnen gefährliche Dimensionen an, bei der das Publikum den Atem anhielt. Doch Yukie Koji führte ihre Kollegin sicher durch das wetterbedingte Ungemach. Die inhaltliche Aussage ging dabei aber – im wahren Wortsinn – weitgehend baden.
Gisela Heredias „Pleasures“ hätte sich in einer lauen Sommernacht wohl auch anders angefühlt. Die Sinnesfreuden, die die drei langhaarigen Tänzerinnen, selbstbewusst zu karibischen Rhythmen vermittelten, brachten jedenfalls einen erfrischenden Kontrapunkt in das zeitgenössische Tanzspektrum des Abends.
Das Highlight war freilich Anna Heins Auseinandersetzung mit einem persönlichen Ereignis. In „Hidden Senses Klinga“ thematisiert sie die Zäsur, die der Schlaganfall ihrer Mutter Andrea vor zwei Jahren auslöste, die bis dahin das CCB künstlerisch geleitet hatte. Die Verzweiflung, Verstörung, und Ohnmacht, die Anna Hein in ihren solistischen Aktionen dem Publikum vor Augen führt, ändert sich jäh durch die Präsenz der Mutter im Rollstuhl auf der Bühne. Aus dem Aufbegehren gegen den Schicksalsschlag wird eine Suche nach Verständigung und nach Verbindung. „Hidden Senses“ entfaltet durch die stimmungsvolle Live-Musik der skandinavischen Formation Afenginn unter der Leitung von Kim Nyberg seine volle Wirkung.
Die schonungslose, emotionale und mutige Auseinandersetzung dieser Musik-Tanz-Performance schreibt das Erbe Johann Kresniks weiter, und entschädigte so auch für die in diesem Jahr geplante CCB-Produktion in Erinnerung an den radikalen Choreografen und Gründer des CCB, die ja Corona-bedingt entfallen musste.
CCB: Lange Nacht des Tanzes am 14. August in Feldkirchen in Kärnten