1995 wurde “Enter Achilles” von Lloyd Newson mit seiner Compagnie DV8 bei den Wiener Festwochen uraufgeführt. 25 Jahre später kam die Neu-Einstudierung in einer Ko-Produktion von Ballet Rambert und Sadler‘s Wells im Festspielhaus St. Pölten zur Premiere – so verläuft die Kontinuitätslinie für erstklassigen, zeitgenössischen Tanz in Österreich. Die aufregende Choreografie ist nach wie vor bestechend.
1995 waren es die englischen Fußball-Hooligans, die mit ihrer Gewaltbereitschaft rigorose Maßnahmen der Behörden auf den Plan riefen. Die Randalierer sind damit weitgehend unter Kontrolle gebracht worden. Sie waren Auslöser für Lloyd Newsons Stück „Enter Achilles“. Die Kumpanen aus dem Arbeitermilieu saufen sich freilich auch heute noch ins Koma, auch wenn man sie wohl nur mehr selten in den Pubs der Großstädte antrifft. Doch die testosteronrabiaten Männer(bünde) sind insgesamt wieder im Vormarsch. Aktuell leben ihre Vertreter sogar in höchsten politischen Positionen ihre virilen White Supremacy-Fantasien aus.
Die Textpassagen in „Enter Achilles“ wurden dementsprechend angepasst und spielen darauf an, dass sich die Machos angesichts der soziokulturellen Veränderungen mehr denn je als Opfer stilisieren. Doch ansonsten hat Lloyd Newson an seinem ursprünglichen Konzept nur wenig geändert. Auch heute spielt seine Männergesellschaft aus der englischen Working Class in einem Pub. Die Burschen gehen in angriffslustiger Kumpanei miteinander um, die gleichzeitig von einer unterschwelligen, homoerotischen Note befeuert wird. Superman wird wie bei der Urfassung von einem Spanier verkörpert. Er ist der Manipulator, der einen von ihnen in luftige Höhen entführt. Doch nach einer homosexuellen Annäherung brennen die Sicherungen durch, Kampf und Rache ist angesagt. Die aufblasbare Puppe, die daraufhin zunichte gemacht wird, steht auch für die Frau, die bei diesen Handgreiflichkeiten grausam vergewaltig und mißhandelt wird. Und so pendelt dieses Drama zwischen Satire und Pathos, zwischen Surrealität und Realität, zwischen Vulgarität und Poesie hin und her. Die inszenierte Brachialgewalt geht ans Eingemachte und verstört.
Die choreografische Umsetzung dieser konfliktbehafteten Beziehungen ist nach wie vor Atem beraubend. Geschmeidig, präzise, kraftvoll und mit enormer Geschwindigkeit zelebrieren die zehn außergewöhnlichen Tänzer ihre Vielseitigkeit und Virtuosität. Allein dafür lohnte sich die Wiederaufnahme.
Lloyd Newson: „Enter Achilles“ am 14. Februar im Festspielhaus St. Pölten