Wer Ballett – wegen Männern in Leggins – hasst, der wird die aktuelle Jubiläumstour „Rock the Ballet X” mögen. Auch auf große Gefühle oder Inhalte zu elitären Musikkompositionen verzichtet man hier. Dafür gibt es sexy Beats zu Rock und Pop, wilde Sprünge in schwarzen Hosen und trendig-bunten Hemden sowie kesse bis frech-anzügliche Hüftschwünge ohne Ende. Und das zu Beginn unisono von den sieben hyperagilen Männern und den drei erfrischend typenunterschiedlichen Frauen.
„Feeling Good“ von Nina Simone dröhnt aus den Boxen. Um die Stimmung anzuheizen, braucht es nicht viel. Schon zum zweiten Titel „Feel it Still” (Portugal The Man) klatscht das Publikum begeistert mit. Später entlädt sich die – durch wenig mehr als Tanz – aufgebaute Spannung zu insgesamt 29 Schlagern in Jubelrufen und Fußgetrampel. Darunter Rockklassiker von Steve Wonder, Elton John, The Rolling Stones, Pink, Madonna, Justin Timberlake, Rihanna, Lady Gaga, Queen und Michael Jackson – dessen drei Stücke in der künstlerischen Umsetzung zu den besten zählen.
Die Bewegungssprache der zehn durch permanenten Einsatz herausgeforderten Interpreten (insgesamt zählt die Truppe 17 Mitglieder) erschöpft sich keineswegs im Kanon klassisch stets ausbalancierter Schrittkombinationen. Mal wird in den nahtlosen Drive der dicht aneinander getackerten Nummern etwas Hip-Hop, dann Modern Dance oder verjazzter Athlethismus in bester Revuetanzmanier untergemischt. Das Erstaunlichste an dieser recht einheitlichen, musikalisch-choreografischen Schmalspurkost jedoch ist: Sie wird im Verlauf von eineinhalb Stunden immer besser.
Die größte der Frauen outet sich – als einzige im Team auf Spitzenschuhen – im ersten Teil als fragile Melancholikerin. Im zweiten Teil kehrt sie mit roten Handschuhen den Vamp heraus und verdreht im körperbetonten Samttrikot den Jungs, die sie wie eine Trophäe durch die Luft tragen und über ihre Schultern hebeln, die Köpfe. Eine Rolle, die die 36-jährige künstlerische Leiterin und Choreografin der Show Adrienne Canterna gern noch selber, aber natürlich nicht in allen Vorstellungen übernimmt.
Als sie 2008 das Format „Rock the Ballet“ gemeinsam mit dem Solisten Rasta Thomas aus der Taufe hob, war sie alleiniges weibliches Kontrastmoment in einer Gruppe testosteronbetont muskulöser Körper. Ein Imagewandel hin zu mehr Frauenpower scheint nun ihr Ziel zu sein. Tragende Kraft der erlebnis- wie bilderreichen Performance sind aber – nach wie vor – ihre sogenannten Bad Boys of Dance – einer cooler als der andere. Energie ist das Geheimnis von deren Verführungskunst. Explosiv und hypersportiv. Das Konzept funktioniert, weil die gesamte Crew Klasse hat – wenn auch eine ganz eigene, die mit klassischem Ballett kaum zu vergleichen ist.
Effekte und getanzte emotionale Höhepunkte werden vorwiegend akzentsynchron umgesetzt. Motivator für die meist in fetziger Manier transportierten Gefühle bleibt einzig die Musik. Das macht die dynamische, multimedial überaus ansprechend aufbereitete Show perfekt, um im Zuschauerraum gedankenfrei abzuchillen. Die Profis auf der Bühne dagegen dürfen sich abrackern, um gute Laune zu verbreiten. Die Kür gelingt!
„Rock the Ballet“ am 13. Februar im Münchner Prinzregententheater; Vorstellungen noch bis 17. Februar. Die sich anschließenden Tourstationen in Deutschland sind Hamburg, Kiel, Dresden, Frankfurt, Düsseldorf.