Rechtzeitig zum 1. Mai nahm Willi Dorner seine Outdoor-Choreografie „every-one“ in Wien wieder auf. Im Emil Fucik-Hof im Sonnwendviertel besetzte die achtköpfige Gruppe spezifische Plätze für kurze performative Aktionen und bewegte sich im militärischen Gleichschritt von einer Station zur nächsten. Nicht nur die extra angereisten Zuschauer, sondern auch die unterwegs eingesammelten Passanten, begaben sich mit den TänzerInnen auf einen Gute-Laune-Trip im Gemeindebau.
In den Kostümen von Katharina Heistinger sind die unterschiedlichen Rollen bereits angelegt: Bei den in weißen Blusen und grauen Röcken bekleideten Gruppe könnte es sich hier um eine adrette Fabriksbrigade handeln. Oder sind sie, die sich mit einem strammen unisono Laufschritt fortbewegen, eine Mini-Militärformation? Jedenfalls gehen die PerformerInnen bei ihrem Erkundungsrundgang mit martialischer Strenge vor.
Ob sie nun mit Linien auf Tafeln abstrakte Zeichenmuster in den Raum schreiben, oder die Texte von Liedern wie „Ich brauche keine Millionen“ hochhalten, der uniformierte Ernst, der gerade Blick, die genau synchronisierten Handlungen, das alles zeugt von einem System der Gleichschaltung, wie es mit der industriellen Massenproduktion oder mit militärischem Training untrennbar verbunden ist. Doch Willi Dorner bringt diese Vereinheitlichung nun in eine pfiffige Beziehung zu den Revuetänzen des frühen 20. Jahrhunderts und führt mit einfachen, aber wirkungsvollen Chorusline-Routinen vor Augen, dass sich der Geist einer Epoche eben durch alle gesellschaftlichen Belange zieht.
Der Emil Fucik-Hof im 10. Wiener Gemeindebezirk spiegelt mit seiner symmetrischen Architektur, mit den Gebäuden die im rechten Winkel um Grünflächen gebaut wurden, den Hang zu einer einheitlichen Wohnsituationen wider. Und doch bietet das Areal eine Reihe von Plätzen, die für die performativen Stationen wie geschaffen sind. Etwa ein Kanalisationspodest, auf dem die TänzerInnen einen Springbrunnen verkörpern. Oder eine Mauer, auf die via live-Kamera projiziert wird, wie sie immer wieder mit gleichen und immer schneller werdenden Handgriffen einen Tisch decken. Die Fließbandarbeit wird themengerecht von Musik aus einem Megaphon begleitet. Apropos Musik: An anderer Stelle zog wohl ein generverter Bewohner den Stecker und würgte kurzerhand die Musik ab - derart sind eben die Tücken einer Outdoor-Performance. Die Chorusline-Nummer mit hohen Beinen fand hingegen auf einer Nebenstraße statt, auf der die Gruppe in Schlangenlinien ihren Cancan tanzte. Autofahrer bitte warten, heißt es da – und diese erfreuten sich ebenso wie das mitziehende Publikum an der Darbietung.
Denn Willi Dorner und seinen wunderbaren TänzerInnen (die die einzelnen Routinen knallhart durchzählen müssen, um den nötigen Gleichklang zu erreichen) gelingt mit every-one eine humorvolle und unterhaltsame Intervention im öffentlichen Raum. Das noch bis Ende dieser Saison (wegen Renovierung des Theaters) obdachlose brut hat mit diesem Programmpunkt zum Tag der Arbeit jedenfalls einen Glücksgriff gelandet.
Cie Willi Dorner „every-one“ am 1. Mai im Emil Fucik-Hof, eine Veranstaltung von brut