In der „Hölle“ im Theater an der Wien führen Georg Wacks und sein Team das p.t. Publikum mit altösterreichisch-jüdischem Witz auf einen historischen Parcours „zwischen Revolution und Reformation“. Ergänzend zum Programm „Durchs Rote Meer“ werden in einer Ausstellung von Marie-Theres Arnbom die ursprünglichen Protagonisten des Unterhaltungsetablissements näher vorgestellt.
Dabei wird unter anderen des Architekten des Theatersaals der „Hölle“ Joseph Urban gedacht, der auch für das nun in präsidentialem Eigentum befindliche Mar-A-Lago verantwortlich zeichnete. Ja, Donald Trumps Super-Luxus-Golfresort Mar-A-Lago in Florida ist einem Einwanderer geschuldet! Der gebürtige Wiener Joseph Urban hat sich bei diesem Objekt in opulentem Kitsch ausgetobt, was wohl ganz seiner Auftraggeberin Marjorie Merriweather Post entsprochen haben mag. Die Architektur ist im neugotischen Stil, die Salons präsentieren sich als üppiges Sammelsurium von Chintz-Fauteuils und glitzernden Kronleuchtern. Zuletzt kam der 1927 eröffnete Palast wieder in die Schlagzeilen: Der „America First“-Präsident erteilte 70 Visa für ausländische Arbeiter auf seinem Winterdomizil.
Doch zurück nach Wien: Den Theatersaal im Keller des Theater an der Wien hat Joseph Urbaun higegen in schlichter Jugendstil-Eleganz eingerichtet, nachdem das Theater und das Cabaret „Die Hölle“ 1906 von den Volksschauspielern Sigmund und Leopold Natzler gegründet wurden. Fritz Grünbaum und Armin Berg waren prägende Persönlichkeiten der damaligen Kabaretttradition, die im aktuellen Programm „Durchs Rote Meer“ von Georg Wacks freilich auch prominent vertreten sind.
Mag sein, dass so manche Zote den Staub der Zeit auf sich trägt, etwa Fritz Grünbaums Geschichte über die Schwiegermutter. Doch wie der Dichter und Kabarettist Klischees in Sprache verpackt hat, ist allemal hörenswert, besonders wenn es so köstlich vorgetragen wird wie von Christoph Wagner-Trenkwitz. Später wird dieser ebenso unterhaltsam als Kaiserin Maria Theresia die Vermählung von Leopold mit der Infantin Margherita mit Rossballett moderieren. Im Laufe des Abens versucht sich Stephan Fleischhacker unter anderem als feuriger Bailaor Che Guevara; Elena Schreiber hat mit „Madame Goulou“ von Fritz Graßhof ein Lied der 1950er Jahre ausgegraben; oder „Der alte Kakadu“, der immer ein Auge zu hat, wird empathisch von Martin Thoma besungen. Im Wirrwarr der historischer Referenzen bietet Georg Wacks mit seiner Conférance den roten Faden mit einer Mischung aus Tatsachen und Schmäh oder zu neudeutsch: Fact und Fiction. Wahr ist etwa, dass der Grotesk-Sandtanz „Cleopatras Nightmare“ von Jack Wilson, Joe Keppel und Betty Knox, der nun "nachgetanzt" wird, bei einer Aufführung in Berlin 1936 Joseph Goebbels heftig missfiel.
Das wie immer gut recherchierte „Hölle“-Programm unterhält eben nicht nur auf nostalgisch-clevere Art, sondern verweist gleichzeitig wie beiläufig auf die dahinter liegende ernste Lage, die die Wiener KünstlerInnen – im besten Fall – in die Emigration oder, wie Fritz Grünbaum, ins KZ führte. Diesmal erlaubt die begleitende Ausstellung einen eingehenderen Blick auf die Zusammenhänge und macht den Besuch einer Vorstellung „Durchs Rote Meer“ besonders lohnend.
„Durchs Rote Meer“ am 8. November (Premiere am 6. November) in „Die Hölle“ im Theater an der Wien. Weitere Vorstellungen am 14., 15., 16., 18., 20. und 25. November 2017