„Craigslist Allstars“, Samira Elagoz` Film und ihre Performance „Cock, Cock… Who`s There?“ waren in dieser Woche schon voyeuristischer Vorbote der Halbzeit bei ImPulsTanz, die mit Florentina Holzingers „Boléro“-Open Air im Boxring schlagkräftig begangen wurde. Die finnisch/ägyptische [8-tension]-Choreografin Samira Elagoz warf einen schmunzelnden weiblichen Blick auf männliche Macht-Gelüste, getriggert von ihrem roten Lolita-Lippenstift-Mund. Die Female Fighter Florentina Holzinger, Cecilia Bengolea, Michele Rizzo und eine 90-köpfigen Dance-Warrior-Gang, fallen zu Maurice Ravels Musik im Museumsquartier ein.
Dem Mysterium zwischen Mann und Frau widmet sich die 1989 geborene Elagoz sowohl in ihrem im Mumok-Kino gezeigten Film, als auch in ihrer Performance im Akademietheater. „You don`t own me” tönt die Musik zu Beginn der Performance, während sich auf einer Leinwand rosa-violette Vagina-Münder rhythmisch öffnen und schließen. Die junge Performerin spielt Videokommentare von Freunden, ihren Eltern und der Großmutter zu einem traumatischen Erlebnis ein: 2014 war sie von ihrem damaligen „Boyfriend“ vergewaltigt worden. Vor den Augen des Publikums arbeitet sie mit ihrer Performance dieses Erlebnis und ihr Verhältnis zu Männern auf. Filmaufzeichnungen dokumentieren ihre Besuche bei Männern, die sich auf Online-Portalen auf ihren Aufruf hin meldeten. In ihrer Performance ordnet die Choreografin die dabei gesammelten Videofilme thematisch. Im Film „Craigslist Allstars“ hingegen zeigt sie Zusammenschnitte der einzelnen Begegnungen als verstörenden Dokumentarfilm, der erst durch die Performance Aufklärung findet.
Cock könnte Penis oder Gockel bedeuten und in der Performance der 1989 geborenen Samira Elagoz bekommen Vertreter dieser „Spezies“ eine Bühne. Zuerst noch unter einer Decke versteckt spricht eine Wölbung, mit Brille auf der „Nase“, belehrend zu uns: Der Penis sei die Quelle der Zivilisation - bevor er wie ein nackter Fingerzeig aus der Decke lugt. Eine Videoeinspielung von Elagoz` Großmutter hingegen zeigt, dass diese - als junge Frau von einem Fremden attackiert - lernte, auf der Hut zu sein. Von Elagoz erfährt das Publikum, dass sie schon früh unerwünschte männliche Zuwendungen erfahren hat. Die größte Bedrohung für Frauen seien Männer, sagt sie. Elagoz näherte sich, nach ihrer Vergewaltigung, Männern über Online-Tools an, um selbst die Handlungsmacht zu behalten, wie sie erklärt. Sie lässt sich Präsentations-Videos der "Anwärter" schicken. Einer etwa beugt seinen Mund darin zu seinem besten Stück, um zu beeindrucken. Nach diesen - auch fürs Publikum humoristischen Einblicken - sah sich Elagoz bereit, eine Annährung zu wagen. Auf einen Aufruf, einen Dokumentarfilm zu drehen, kontaktierten sie Männer, die sie in ihren Wohnungen besuchte. Die Ergebnisse fasst die junge Performerin zusammen: Etwa versuchten alle der besuchten "Objekte", mit Fähigkeiten und Talenten zu beeindrucken. Andere wieder ließen Dominanz spielen.
Während Elagoz Dokufilm „Craiglist Allstars“ durch explizit freizügige sexuelle Sequenzen, die die Performerin mit ihren Filmobjekten durchlebt, viele Fragen offenlässt, ist „Cock, Cock..Who`s There?“ eine mutige Reflektion über ein Thema, über das ein Großteil der Betroffenen wohl eher schweigen würde, als diese einer öffentlichen Diskussion auszusetzen. Zu groß ist wohl die Angst, dass eine Opfer/Täter-Umkehrung, wie Elagoz sie in ihrer Performance thematisiert, das Opfer erneut zu einem solchen macht.
Samira Elagoz „Cock, Cock.. Who`s There?“ vom 26.7.2013 und „Craiglist Allstars“ 25.7.2017 Florentina Holz8inger & Co, Bolero-Open Air im Museumsquartier am 28.7.2017, 21 Uhr, ImPulsTanz