Im Urhof 20, dem Zentrum für Performancekunst in Grünbach am Schneeberg wurde die Personale des Allrounders Werner Schulze mit der Ausstellung „Wegmarken“ und der Performance „Kyklos“ zur gleichnamigen Komposition eröffnet. Die Uraufführung der „Musengesänge“ für Holzblasinstrumente wurden von Beatrix von Schrader choreografisch inszeniert. Dieter Puntigam kreierte dazu grafische Muster mit dem interaktiven Tagtool.
Seit 2012 gibt es in Grünbach am Schneeberg das Kulturzentrum Urhof 20. Eine mutige Frau, Beatrix von Schrader, hat in dem ehemaligen Arbeiterheim „Grünbacherhof“ aus den 1920er Jahren ihr Traumobjekt gefunden und ist seither mit vielen freiwilligen Helfern und einer enormen Geduld dabei, das 20 Jahre lang leer gestandene und dem Verfall preisgegebene Objekt zu renovieren und revitalisieren. Dabei wiederholt sich die Geschichte dieses Pioniergeistes insofern, als seinerzeit auch die 1400 Mitarbeiter des Steinkohlebergwerks in ihrer Freizeit selbst Hand anlegten und mit dem Bau des Arbeiterheimes begannen um einen Raum für Festlichkeiten, Tanzveranstaltungen, musikalische Darbietungen, Versammlungen und Kino zu schaffen. Heute steht dieser Raum im Zeichen von zeitgenössischen, avantgardistischen Kunstprojekte.
Mit der Personale des Musikers und Wissenschaftlers Werner Schulze rückt eine Ausnahmeerscheinung in den Fokus, deren „Stationen einer Lebens- und Gedankenwelt“ in einer Ausstellung nachzuspüren ist. Ob es die Theaterarbeit mit seiner indonesischen Theatergruppe Teater Tetas ist, der architektonische Entwurf für den Österreich-Pavillon zur Expo in Zaragoza 2008 (mit dem er den zweiten Platz errang), seine Adaptionen altbekannter Spiele oder ein „polygonal-harmonikales Labyrith“ – Werne Schulzes Forscher- und Experimentiergeist kennt offenbar keine Grenzen.
40 Jahr hat der gebürtige Wiener Neustädter an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien gelehrt, hat dort das „Internationale Harmonik Zentrum“ ins Leben gerufen, wo er wissenschaftliche Forschungsergebnisse und künstlerische Grundfragen miteinander verknüpfte. Das Multitalent Schulze praktizierte „Crossover“-Projekte lange bevor das Wort in aller Munde war. Ulrike Sych, Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, vermittelte in einer warmherzigen Eröffnungsrede, die unterschiedlichen Facetten dieses vielseitigen Künstlers.
Zur Vernissage brachte Schulze seine Komposition „Kyklos“ zur Uraufführung. Die „Musen-Gesänge“ sind jeweils Soli für Oboe, Englischhorn, Fagott und selten zu hörende Instrumente wie Oboe d’amore, Heckelphon und Kontrafagott, die jeweils durch Ensemblesequenzen miteinander verbunden sind. Der Komponist sowie Katalin Kiss, Adéla Traar und Angelika Riedl musizierten die meditativen, mystischen Weisen in perfekter Harmonie und nahmen das Publikum mit auf eine Reise in Apolls Wagen. Auf der Bühne tauchten Dieter Puntigams Malereien die drei Tänzerinnen in immer neue, farbliche Lichtflüsse, bündelten sich zu Grafiken, die in den Hintergrund abtauchten, verwischten den Sinn von Worten, die er flüchtig auf die Leinwand geworfen hatte. Sara de Santis, Jiarong Liao und Bianca Anna Braunesberger – ebenso wie die MusikerInnen ganz in weiß gekleidet –, ergänzten diese visuelle Flut mit sparsamen, tänzerischen Interventionen. Dass Bea von Schrader ihre Wurzeln im Ausdruckstanz gefunden hat, ist in ihrer reduzierten Bewegungssprache ebenso offensichtlich wie in historischen Referenzen zu den Licht-Tanzspielen einer Loïe Fuller oder zu Martha Grahams „Lamentations“, wenn die drei Tänzerinnen unter einem dehnbaren Stoffmantel die Geburt der Musen verkörperten.
Während und inspiriert von der Performance arbeiteten Barbara Jung und Daniela Lehner an Architektur-Entwürfen für ein „Tanz-Laboratorium“, die die bewegten Bühnenaktionen in schwungvollen Arealen widerspiegelten.
Der Urhof 20 hat sich mit dieser hochkarätigen Veranstaltung einmal mehr als inspirierender kultureller Player der Region erwiesen, dessen zahlreich erschienenes Publikum die Performance mit Begeisterung würdigte.
Die Ausstellung „Wegmarken“ ist bis 15. Juli jeden Samstag von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Sonderveranstaltungen sind
- ein Konzert des preisgekrönten Graffe-Quartetts aus Brno mit einem Streichquartett von Werner Schulze sowie Kompositionen von Mikis Theodorakis, Leoš Janáček und Wolfgang Amadeus Mozart am 10. Juni.
- Gamelan Bali mit Musik und Tanz am 24. Juni.
- Die Finissage am 15. Juli mit einer Performance von Bea von Schrader und der Tagtool-Malerei von Dieter Puntigam zur Klaviermusik von Werner Schulze, gespielt von Albert Mühlböck.