Zeitgenössische darstellende Kunst trifft auf alte Meister der Malerei. Zum vierten Mal wurde dieses erfolgreiche Projekt im Kunsthistorischen Museum realisiert. Diesmal haben das Produktions- und Regie-Team Peter Wolf und Jacqueline Kornmüllers den Parcours mit literarischen, tänzerischen und musikalischen Interventionen der Weiblichkeit gewidmet: In „Ganymed Fe male“ sind Frauendarstellungen von Tizian, Rubens, Rembrandt, Correggio oder Bellini Ausgangspunkt für 15 Momentaufnahmen der Gegenwart.
Wovon handelten die Gespräche der Frauen angesichts des Freitods von Kleopatra? Auf dem schmalen Gang vor dem Gemälde „Der Selbstmord der Kleopatra“ von Guido Cagnacci tasten sich sieben Tänzerinnen (Esther Balfe, Helena Estermann, Magdalena Forster, Verena Herterich, Katharina Illnar, Sarah Merler, Christina Osternig, Eva Maria Schaller und Manaho Shimokava) behutsam auf das Gemälde zu. Die Gefahr ist immanent, sie wollen einander nicht loslassen. „Angst“, „Schock“, „keep going“, „faint“, „nein“ murmeln sie vor sich hin, um am Ende beim Publikum Trost, „comfort“, zu suchen und zu spenden – eine Umarmung hier, eine Hand haltend dort. Mit ihrer emotionalen Spurensuche lenken die Tänzerinnen den Blick vom Zentrum des Bildes in die Peripherie – zu den namenlosen Frauen, die die Königin umgeben.
Eine ebenso eindringliche Auseinandersetzung hat Zadie Smith mit dem Portrait „Alte Frau“ von Balthasar Denner vorgenommen. Sie verknüpft dieses Gemälde mit Überlegungen über das Altern, über die Wahrnehmung alternder Menschen und wie diese darauf reagieren könnten. Ein kluger, humorvoller Text der britischen Bestseller-Autorin, der ebenso verhalten wie ausdrucksstark von Petra Morzé interpretiert wird.
Wie gewohnt geistreich sind Franz Schuhs Gedanken, diesmal über „Kaiserin Maria Theresia mit der Statue des Friedens“ von Anton von Maron bzw. über ein Foto, das den Schriftsteller vor dem Gemälde zeigt. Nun ist Peter Wolf in seine Rolle geschlüpft, der „sterbliche, sündige Mensch“, der im Wintermantel vor dem Portrait steht, und so Vergangenheit und Gegenwart verbindet. In seinem coolen Vortrag lässt er Schuhs ironische Assoziationen mit dem Titel „Über die tiefe Ratlosigkeit“ ohne zusätzliche Dramatisierung einfach wirken.
Abgesehen von diesen Highlights bleiben aber vor allem die tänzerischen und musikalischen Stationen des Parcours im Gedächtnis. So verwandeln die Sängerin Agnes Palmisano und der Hurdy-Gurdy-Virtuose Matthias Loibner das Bild „Heilige Katherina von Siena“ von Tiepolo in „Frau Jesus“. Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer (Ramsch und Rosen) musizieren mit Mitgliedern der Company of Music über Corregios „Io und Jupiter“. „Junge Frau bei der Toilette“ von Giovanni Bellini regte die Cellistin Melissa Coleman zu einer berührenden „Botschaft“ über ihre Mutter Heidi an.
Dezidiert feministische Positionen waren freilich auch dabei, etwa „We should All be Feminists“ von Chimamanda Ngozi Adichie (Nigeria) zu Tizians „Mädchen im Pelz“, interpretiert von Katharina Stemberger. Ihre Schwester Julia hatte ebenfalls ein pelziges „Vorbild“, nämlich Rubens „Das Pelzchen“. Für die polnische Schriftstellerin Joanna Bator entsteht die Figur erst beim Anschauen: „Ich bin aus Blicken gemacht“ beschreibt die schmerzhaften körperlichen Reaktionen einer Frau auf die Blicke ihrer Betrachter.
Bis Ende Mai gibt es 13 weitere Gelegenheit bei „Ganymed Fe male“ zu erleben, wie SchauspielerInnen, MusikerInnen und TänzerInnen „ihre“ Kunstwerke zum Leben erwecken und den Museumsbesucher animieren einen veränderten Blick auf die Meisterwerke zu werfen.
„Ganymed Female“, Premiere am 18. Februar, weitere Vorstellungen am 25. Februar, 8., 15. und 25. März; 1., 8., 19. und 24. April; 3., 13., 20, 27. und 31. Mai 2017, jeweils 19–22 Uhr im Kunsthistorischen Museum