Gegebene Strukturen aufzulösen, anders zu schichten und zu verbinden – das sind Intentionen, die nicht unbedingt mit Ballett assoziiert werden. Und doch: Ballettchef Jörg Weinöhl initiiert es, denn „es bedarf immer des Experiments“; und einige TänzerInnen aus seinem Grazer Ballett-Ensemble nehmen die Idee auf, stellen sich der Herausforderung.
Gemeinsam mit jungen Komponisten der Kunstuniversität Graz, die allesamt ihr Studium abgeschlossen und teilweise auch schon Erfahrung mit dem Medium Tanz gemacht haben. Sie versuchen miteinander in einen künstlerischen Dialog zu treten, um in der Annäherung nicht nur die eigene Identität besser kennenzulernen, sondern durch Anregungen und/oder Provokation auch und vor allem kreativ neue Welten, akustische Tanzräume, zu schaffen; und letztlich ein oder auch mehrere vorzeigbare Werke. Ein sehr offenes und ein mutiges Unterfangen.
Auch die Auftaktveranstaltung, die den Arbeitstitel „Das leere Blatt“ trug, entpuppte sich als ein tatsächlich noch weitgehend unbeschriebenes Blatt, dem Weinöhl selbst lediglich einen ungewöhnlichen, auf das Thema einstimmenden Rahmen verpasste: Die in Komponisten und Tänzer geteilte Gruppe sollte langsam aufeinander zugehen und dabei auf den anderen jeweils in akustischer oder sich bewegender, also tänzerischer Weise reagieren. Alles andere wurde von Weinöhl zwar diskret moderiert, bestand aber grundsätzlich aus völlig frei zu gestaltenden, maximal 5 Minuten dauernden Präsentationen der Mitwirkenden.
Und auch wenn man sich insgeheim vielleicht ein wenig mehr an Einblick in das hiermit startende Projekt wünschte: Es ist, wie in der gut eine Stunde dauernden Veranstaltung klar wurde, tatsächlich noch alles offen; und dies in vielfältiger, ein gehörig Maß an Neugierde weckender Art.
So ließ der in Form von Monologen eröffnete Dialog der jungen Künstler aus zwei Sparten allein durch das erkennbare Engagement jedes einzelnen für das Projekt an dessen gewinnbringende Entwicklung glauben. Und dass es für die Beteiligten wie auch für die interessierten Beobachter, für die die Werkstatt-Türen wieder am 27. April geöffnet werden, ein spannender Prozess wird, ist aus dem, wie individuell die Künstler ihre jeweils 5 minütige Präsentation nützten, zu schließen: Nicht nur, dass in choreographischer Arbeit erfahrene Tänzer neben absoluten Neulingen in diesem Bereich stehen, dass in spartenübergreifenden Bereichen bereits erfahrene Musiker neben solchen ohne diesbezüglicher Vorkenntnisse mitmachen, sondern auch, dass die jeweiligen Erwartungen an das und die persönlichen Intentionen zum Projekt in anregender Weise divergieren: zwischen „die Komfortzone verlassen“ wollen/müssen, bei allen Ängsten die Authentizität nicht zu verlieren, im Mut zum Unbekannten sein Glück zu finden, die Klang-Raum-Interaktion neu zu erkunden… .
Als roter Faden war immer wieder – bei allen Unsicherheiten bei dem sich Entwickelnden.- die gleichermaßen entspannende wie stärkende Feststellung zu hören, dass man wunderbarerweise über ungewohnt viel Freiheit verfüge: in Bezug auf Inhalt, Form und Zeit- bzw. Termindruck. Und da die Kunst ja bekanntlich ein „Kind der Freiheit“ ist, kann sich da also manch Bemerkenswertes tun.
Tanz ganz nah: „Hör mich in dir – Sieh dich in mir“ am 15. Jänner 2017 im Opernhaus Graz Malersaal, Die nächste „Tanz ganz nah“-Veranstaltung gibt es am 27. April