Ausblicke in eine Zukunft der Superlative. Normalerweise jetten Spitzentänzer für Gala-Auftritte um die Welt. Dabei kann ein Heimspiel mit selbst gewählten Bravourstücken mindestens genauso inspirierend sein. Ballettchef Igor Zelensky nutzte das zugkräftige Unterhaltungsformat zum Jahresauftakt, um einmal mehr Potenzial und Qualitäten seines noch nicht einmal fünf Monate alten Bayerischen Staatsballetts in den Fokus zu rücken.
Für die erste Spielzeit hat er seinem Ensemble ein Repertoire klassischer Highlights verordnet. „Because we can!“ lautete seine Devise auf die Frage, warum dazu auch Grigorovitschs „Spartacus“ zählen müsse. Die erste Vorstellungserie über die Feiertage blieb dank eines interessanten Besetzungsroulettes zwischen den hauseigenen Hauptpaaren für Spartacus/Phrygia und Crassus/Aegina erfrischend spannend.
Man konnte verfolgen, wie sich Vladimir Shklyarov (flankiert von Maria Shirinkina) die für ihn untypische Rolle der Titelfigur technisch erkämpft und gestalterisch erobert hat. Damit stachelte er auch seinen Kollegen Osiel Gouneo an, sich darstellerisch weiter in die Partie zu vertiefen, die bei diesem aufgrund genuiner Sprung- und Drehgewalt so federleicht erscheint. Als rachsüchtig-böse Gegenspieler führten Jonah Cook als verbissen-ehrgeiziger Feldherr von edler Gestalt und Ksenia Ryzhkova (mit Stummfilm-Grandezza) das Lager der selbstverliebt-dekadenten römischen Oberschicht an.
Zuletzt debütierte Halbsolistin Prisca Zeisel an der Seite von Eric Murzagaliyev, der den verletzten Matej Urban ersetzte. Sie erstaunte durch ihre strahlende Selbstverständlichkeit, eine intrigante Persönlichkeit wie Aegina zu verkörpern. Und wählte souverän genau diese Rolle als Beitrag für die „Gala mit Stars des Bayerischen Staatsballetts“ am 12. Januar. Zuvor präsentierte sich die junge Wienerin ihrem Partner Murzagaliyev gegenüber bewusst blickschüchtern und elegisch, auf die erlösende Liebe hoffend, im Kostüm des weißen Schwans. Ein vielversprechender Ausblick in die Zukunft!
Ksenia Ryzhkova und Jonah Cook wählten für sich den Balkon-Pas de deux aus Crankos „Romeo und Julia“ und weckten damit Erinnerungen an ihre wunderbar subtile Interpretation des Liebesdramas. Eingebunden in das Gefüge von vier toughen Ensemble-Paaren überzeugte Ryzhkova zudem durch königliche Anmut und technische Brillanz in den kontrolliert-langsamen Passagen des Grand Pas Hongrois aus „Raymonda“. Als ihr Partner war der junge Alexander Omelchenko vom Moskauer Stanislawski-Theater nach Bayern gekommen.
Den Abend eröffnete – noch etwas steif vor Lampenfieber – ein Männer-Quartett, das den überaus eleganten 19-jährigen Dmitrii Vyskubenko (ein idealer Prinz in spe!) und seine auf harten Spitzen tänzelnde Partnerin Tatiana Tiliguzova durch den Grand Pas de deux aus „Nussknacker“ geleitete. Eine zuckersüße Choreografie von Vasily Vainonen, bei der sich die Herren die Dame wiederholt weiterreichen.
Dagegen hat Vainonens Pas de deux aus „Die Flamme von Paris“, mit dem ursprünglich Tigran Mikayelyan auftrumpfen wollte, wesentlich mehr Schmiss. Riesenpech, dass eine Erkrankung den Armenier in letzter Minute vom Programmzettel fegte. Statt seiner wirbelte nun, völlig gelöst und glücklich lachend, Adam Zvonař mit Elizaveta Kruteleva an der Hand über die Bühne des Prinzregentheaters. Beide wurden mit Applaus überschüttet. Zvonař für seine Sprünge, Kruteleva für ihre bombensicheren Fouettés. Im zweiten Teil sorgten Mai Kono und Javier Amo fürs passende Pendant. Beschwingt tanzten sie Frederick Ashtons kindlich-verspielte „Frühlingsstimmen“.
Einen einzigen Ausreißer in die Moderne wagten die Principals Maria Shirinkina und Vladimir Shklyarov mit Yuri Smekalovs „Parting“ zu John Powells „Assassin's Tango“. Eine Frau und ein Mann, die sich einen Barhocker teilen, sehen darin sprichwörtlich rot. Beine fliegen, Geigen jaulen. Dann kickt sie ihn endgültig vom Stuhl. Es war dann aber doch die pure Klassik, die dieses Feuerwerk an Emotionen später noch toppt. Mit freiem Oberköper schnellt Shklyarov beim Pas de deux aus „Le Corsaire“ in atemberaubend hohen Sprüngen durch die Luft. Ob Diagonale oder Manege, er landet immer sicher und stilistisch perfekt.
Eine Nummer der absoluten Superlative, der Osiel Gouneo und Ivy Amista zum Schluss noch ihren Grand Pas de deux aus „Don Quijote“ hinzufügen. Irre, in welch schwindelerregenden Höhen hier Kapriolen geschlagen werden. Und was Gouneos Pirouetten-Variationen betrifft: Die kann der Kubaner ganz nach musikalischem Gusto beschleunigen oder verlangsamen. Sensationell.
Gala mit Stars des Bayerischen Staatsballetts am 12. Januar 2017 im Münchner Prinzregentheater, nächste Vorstellung am 15.1., 18 Uhr im Prinzregententheater und als kostenlose Livestream-Übertragung unter www.staatsoper.de/tv