Den offiziellen Auftakt zum diesjährigen Tanzsommer Innsbruck gab das Hessische Staatsballett mit dem choreografischen Triptychon "Weltenwanderer". Der dreiteilige Ballettabend ist eine choreografische Schöpfung von Itzik Galili, Edward Clug und Marco Goecke. Dieser Abend zeigt, dass der Ballettdirektor Tim Plegge des noch jungen Ballettensembles (Fusion 2014/15 aus den Stadttheatern Darmstadt und Wiesbaden) gerne mit international gefragten Gastchoreografen zusammenarbeitet.
Wie bereits im medialen Raum aufgetaucht, ist die Zukunft des Tanzsommers ungewiss. In den Entstehungsjahren bildete der Tanzsommer eine Lücke im hiesigen Kulturleben und würde diese auch nach 22 Jahren wieder hinterlassen. Festivaldirektor Josef Resch bekannte in seiner etwas desillusionierenden Eröffnungsrede Angst um die Zukunft und verwies auf die Entscheidungsgewalt der Politik.
Der Versuch die drei Choreografien des Abends unter dem Namen „Weltenwanderer“ zusammenzufassen, ist insofern verständlich als jede Choreografie eine eigene Welt für sich darstellt und den RezipientInnen eine Wanderung durch verschiedenste Beziehungswelten dargeboten wurde.
Das erste Stück „A walk above“ von Itzik Galili lässt eine Reminiszenz an Jiří Kyliáns „Petite Mort“ (1991) erahnen. Sowohl das Bewegungsvokabular, als auch die Musikauswahl (Mozarts Klavierkonzert Nr. 23) ähnelt stark Kyliáns Schaffen, dennoch ist das Stück als „ureigene absolut physische Körpersprache seiner frühen Jahre“ umschrieben. Originell war die mediale Verschmelzung von Bewegung, Musik und Text. Ein Gedicht „You Know“ des Choreografen Itzik Galili war Teil des choreografischen Konzepts. Eine der Tänzerinnen rezitierte den Text live auf der Bühne während (!) sie tanzte. Diese vertanzte Interdisziplinarität ist ein Markenzeichen Galilis, der gerne zu solchen choreografischen Mitteln greift.
Ein stilles Stück mit einem ebenso stillen Titel „Sss“ von Edward Clug war nach der ersten Pause zu sehen. Dieses Innehalten war auch im Bühnenbild in den „Haltestellenreihe“ der Pianobänke präsent. Dieses feine Stück thematisiert eine bürgerliche Scheinwelt in einer Beziehungsstruktur des 19. Jahrhundert. Die musikalische Grundlagen bildeten Frederic Chopins Nocturnes, die live mit reichem Tasten- und Tanzgefühl von Waldemar Martynel gespielt wurde. Frederic Chopins zarte Klavierwerke verwoben mit Spitzschuhfinesse der Pas de deux schilderten eine berührende Intimität.
Im letzten Teil des Abends wurde „Suite Suite Suite“ aufgeführt. Die Choreografie von Marco Goecke war inspiriert von Bachs biografischen Anekdoten, und dessen Orchestersuite Nr. 4, dennoch waren diese Verweise nur „unterschwellig“ wahrnehmbar. Die Suite als eine musikalische Form ist bekanntermaßen eine Abfolge von Tanzsätzen. Darüber hinaus stellt die Etymologie des Wortes Suite aus dem Französischen „suivre“ eine Verbindung zur sozialen Komponente des „Folgens“ her: Wer folgt wem? Puppen folgen Herrscher, Tanzmeister oder dem absolutistischen Spiel? Somit wird die Rolle des historischen Tanzmeisters thematisiert und als Code für gesellschaftliche Konstrukte verstanden. Das Bühnenbild lässt Sand von der Decke rieseln - eine Anlehnung an das barocke Vanitas Motiv der Sanduhr. Die Bewegungselemente setzten mit ihrem animalischen Anklang getanzte Kontrapunkte zur Komposition von Bach.
Der zweite Aufführungstag war für women only: sehr zum Leidwesen nicht fußballbegeisterter Männer veranstalteten die Wiener Städtische Versicherung einen Damentag.
Hessisches Staatsballett im Rahmen vom Tanzsommer Innsbruck am 23. und 24. Juni in der Dogana