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impulsuhlichMit einer Truppe selbstbewußter „Flitzer“ eroberte Doris Uhlichs „Hit The Boom“ die Bühne im Haupthof des Museumsquartiers zur ImPulsTanz-Festivaleröffnung. Nach und nach entledigten sich rund zwei Dutzend Tänzer und Tänzerinnen ihrer Hüllen, um splitterfasernackte Fleischesfreude zu leben. Zum Auftakt im Schauspielhaus entdeckte Maarten Seghers ein Brett vorm Kopf und den Sisyphos in seiner Seele.  Alix Eynaudi fand Sinnlichkeit und Schönheit in fast zärtlichem Bondage im Mumok. Elina Pirinen im Odeon-Theater badete hemmungslos in persönlichen symphonischen Momenten - inspiriert und untermalt von Dmitry Schostakowitschs 7. Sinfonie.

Kulturelles Sommerloch war einmal - noch bis 16. August trotzt das Vienna International Dance Festival ImPulsTanz der Hitze mit einem bunt bestückten Programm. Das Tanz-Festival spannt einen Bogen von der Geschichte des Tanzes zu globalen Themen. Mehr als 100 Einzelveranstaltungen laden ein, sich ein Bild vom Schaffen – im Schwerpunkt heimischer, aber auch internationaler Choreografinnen und Choreografen - zu machen.  Veranstaltungen im Weltmuseum, mumok – Museum moderner Kunst und 21er Haus schließen an historische Bezüge zwischen Tanz, Performance und bildender Kunst an.superamas

[8:tension]. Den Auftakt zur bewährten Nachwuchsreihe bildete am Donnerstag Needcompany-Performer Maarten Seghers mit seiner dadaistisch angehauchten Stand-up-Comedy und seiner „Band“ aus gar nicht stummen, widerständigen Holz-Sound-Boxen (weitere Vorstellungen am 13. und 14. August). In der heuer elf Produktionen umfassenden Reihe – unter anderem Simon Mayers wunderbares, legendäres „SunBengSitting“-  war am zweiten Festival-Tag auch gleich ein besonderes Kleinod zu bestaunen: „Personal Symphonic Moment“ der 1981 geborenen finnischen Choreografin Elina Pirinen.  Das bezaubernd schräge Werk ist noch einmal am 20. Juli zu sehen. Dmitry Schostakowitschs, als "Leningrader Sinfonie" bekannten 7. Sinfonie, setzen drei Frauen - in rosa, gelb und mintfarbene Blusen und Hosen gekleidet - persönliche, absurd menschliche Momente entgegen. Schostakowitsch widmete die Sinfonie 1942 dem Kampf gegen den Faschismus.

Austausch zwischen bildender und performativer Kunst. Während die frühen Vorkämpfer das Museum abschaffen wollten, eroberte die Avantgarde ab den 1950ern diese Räume. ImPulsTanz stellt heuer den Austausch zwischen Inhalten von Museen und den performativen Künsten in den Fokus - beispielsweise mit der Performancereihe „Redefining Action(ism)“. Zahlreiche Produktionen entstehen bezogen auf museale Inhalte während des Festivals und reflektieren in Aktionen, Interventionen und Happenings die wilden 1960er und 70er Jahre.

Den Auftakt machte würdig am Freitag Alix Eynaudis „Monique“ im Ausstellungsraum der mumok-Schau „Mein Körper ist das Ereignis“. Das zarte, ästhetische Tanzduett mit Mark Lorimer ist noch am 19. Juli zu sehen. Zwischen Videoinstallationen etwa von Aktionen von Günter Brus, Otto Mühl und Rudolf Schwarzkogler entwickelt Alix Eynaudi ihr tänzerisches Spiel von Hingabe und Vertrauen. Direkten Bezug auf die Ausstellung nimmt Christine Gaiggs Gruppenintervention „Charged Documents“. Die bedeutende österreichische Choreografin befragt den Aktionismus und die Objekte der Ausstellung mit einer Gruppe von Performern aus heutiger Sicht (24.Juli). Zak Ray`s „mumok Troll“ (23. Juli und 11. August) soll die Ausstellung gezielt „unterwandern“ und Ana Rita Teodoro zeigt sich mit “Ana” solidarisch mit Anna Brus, der Frau und Künstlerin an der Seite von Günter Brus (9. August). Akemi Takeya stellt Aktionismus dem Lemonismus gegenüber und macht die Zitrone zur Metapher für Wandlung (21. Juli). Weiters mit Spannung werden Anne Jurens „Magical: The Kitchen“ und Antony Rizzis „The Artist ist Here“ erwartet. Oder Ivo Dimchevs Uraufführung von „Facebook Theatre“, in der er mittels Smartphone abgegebene Kommentare in seine Performance einfließen läßt.

christinegaiggAntrophologie Now. Zwischen 23. Juli und 16. August findet im Weltmuseum Wien eine spannende und kritische Auseinandersetzung mit anthropologischen Themen statt.  So sind vier Uraufführungen von in Österreich lebenden Künstlern ebenso zu sehen, wie Positionen von Künstlern, die aus Japan, Indien, Indonesien und Singapur stammen. Oleg Soulimenko (23.-26.Juli) etwa begibt sich mit „Meet the Shaman“ auf die Suche nach archaischen Ritualen, während Claudia Bosse (27. Juli bis 16. August) in fünf Räumen des Museums begehbare Installationen schafft, in denen Objekte der Künstlerin auf Artefakte und Dokumente aus der Sammlung treffen. An drei Tagen findet auch eine Performance statt, in der es um Kolonialismus, Konstruktion von Ideologien und ideale Gemeinschaften gehen soll. Das Kollektiv Superamas holt von 29. Juli bis 2. August mit „History of Violence“  Objekte aus den Vitrinen, die für Krieg und Kampf stehen, und rekonstruiert deren historische Bedeutung in neuem Rahmen.

Im 21er Haus für zeitgenössische Kunst werden in der laufenden Ausstellung des Argentiniers Tomás Saraceno Positionen von in Österreich lebenden Choreografen und Choreografinnen wie Anne Juren, Philipp Gehmacher und Christine Gaigg gezeigt. Letztere erarbeitet ihr Stück über Social-Media-Kriegsberichterstattung in Kooperation mit netzzeit und dem Komponisten Klaus Schedl (12.+14. August).

Rückschau: ImPulsTanz blickt auch in die 1980er Jahre zurück, zu einer „Gründerzeit“ unabhängigen zeitgenössischen Tanzschaffens in Österreich: Liz King etwa revolutionierte mit ihrem Tanztheater Wien das Tanzgeschehen ebenso wie das Serapions Ensemble, das 1988 die Produktbörse in der Taborstraße in das Odeon Theater verwandelte. „Anagó“ bringt mit poetischen Bildern zum Staunen. Das Stück ist eine Parabel auf menschliches Schaffen, Scheitern und Finden (21., 23., 28. Juli, Odeon). Das Tanztheater Wien zeigt die Uraufführung von „Back to the Future“ (30. Juli, 1. August), einem Revival von Ausschnitten aus der vor rund zehn Jahren aufgelösten Gruppe – unter anderem von „Schwanensee Remixed“, das an der Volksoper Erfolge feierte.

barbarakrausWeiters sind Arbeiten von bekannten, in Österreich lebenden Künstlern zu sehen, wie u.a. Amanda Pina und Daniel Zimmermann – zu „bedrohten Bewegungen“ -, Barbara Kraus – zum Ausgesetztsein des performativen Mediums - und Ian Kaler zu Schwellenbereichen der Bewegung. Auch präsentiert das aufsehenerregende Performance-Duo Florentina Holzinger und Vincent Riebeek seinen „Schönheitsabend“ im Kasino am Schwarzenbergplatz. Die beiden „wilden“ Performancekünstler treten in die Fußspuren von außergewöhnlichen Tanzpaaren aus den 1920er Jahren, um deren Avantgarde mit ihrer eigenen Avantgarde verschmelzen zu lassen.

Bei ImPulsTanz 2015 zeigen 45 Künstler Arbeiten, 30 davon sind Uraufführungen. Tanz- und Bewegungsfreudige finden außerdem eine einzigartige Auswahl von 250 Workshops und Research Projekte für Beginner und Profis.

Impulstanz - Vienna International Dance Festival 2015, 16. Juli bis 16. August. Infos: www.impulstanz.com