In einfachen Bildern öffnet Lara Foot, Autorin, Regisseurin und Leiterin des Baxter Theatre Centre in Kapstadt, die Türe in einer Hütte in einem afrikanischen Fischerdorf. Mehr schlecht als recht lebt hier eine zusammengewürfelte Familie. Aufgeben oder weiter kämpfen ist die Frage, die jede und jeder Einzelne für sich allein beantworten muss. Dramatisch verstärkt wird die zu Herzen gehende Geschichte, Europapremiere im Rahmen der Festwochen, durch Musik, Gesang und Tanz.
Beeindruckende Schlichtheit. Foot, die schon 2006 mit dem Drama über Pädophilie bei den Wiener Festwochen zu Gast war, hält sich sowohl als Autorin der schlichten Texte in Alltagssprache als auch als Regisseurin diskret zurück. Keine Mätzchen und Gags, einfach eine Geschichte erzählen. Die zugleich eine Allegorie ist. Der Titelzusatz, „Taweret“ bezieht sich auf die ägyptische Göttin gleichen Namens, die durch ein Nilpferd dargestellt wird und für Fruchtbarkeit und Geburt zuständig ist.
Schicksalhafte Ausweglosigkeit. In „Fishers of Hope“ ist das Nilpferd, das gefährlichste Tier in Afrika, jedoch die Ursache allen Leids. Beim Fischen wird der Ernährer, John, von so einem Hippopotamus angegriffen und schwer verletzt. Medikamente gibt es keine, der Wundbrand breitet sich immer weiter aus, er kann nicht mehr auf den See hinaus, um zu fischen. Doch es gibt ohnehin keine Fische mehr. Die Betreiber der Fischfabrik haben Killerbarsche ausgesetzt, das ökologische Gleichgewicht ist zerstört. Ruth möchte gerne Fischerin sein, um John und den stummen Neffen zu ernähren. Doch Fischen ist Männersache. Und John muss beweisen, dass er ein Mann ist. Er muss noch einmal ins Wasser, wie einst Ahab, stellt er sich dem Kampf mit dem Nilpferd: „Es weiß genau, wer es ist.“ John hat seine Identität verloren, sich fremder Autorität unterworfen / unterwerfen müssen.
Eine realistische Geschichte – Foot ließ sich von der Film-Dokumentation „Darwin’s Nightmare“ des österreichischen Regisseurs Hubert Sauper inspirieren – authentisch und eindringlich erzählt. Nceba Gongxeka begleitet die trotz der Geradlinigkeit fesselnde Handlung mit Gesang und fremdartiger, rhythmischer Musik. Als lustige Figur lockert Buschauffeur Njawu – „Ich führe Touristen, setze ein Grinsen auf und erzähle ihnen, was sie hören wollen“ – die Atmosphäre auf und agiert auch als gewitzter Erzähler. Der Tänzer Shaun Oelf ist Peter, der nicht spricht, sich nur über den Körper ausdrücken kann, virtuos und bewegend. Vermutlich ist er ein Kuckuckskind, der Sohn eines weißen Piloten und Ruths Bruder Niara, der Rebell und Agitator, ist nicht sein biologischer Vater. Die helle Haut spricht dafür. Die Tatsache muss geschluckt werden.
Am nebligen See hat Patrick Curtis das Bühnenbild aufgebaut, ein Steg über Wasser, unter dem Dach ein Bett für John, ein Lavoir, in dem Ruth die Wäsche rubbelt, an der Wand Fischgerippe. Im Hintergrund bewegen sich Schatten, man ahnt ein Boot. Peter lässt das Wasser des Sees aufspritzen, John versinkt darin. Angeführt vom optimistischen Njawu verlassen die Männer das tote Dorf, die Familie zerfällt. Ruth bleibt. Sie wagt das Unerhörte. Sie wird ins Boot steigen und das Netz auswerfen. Das Prinzip Hoffnung ist weiblich.
Lara Foot: „Fischers of Hope. Taweret“, Wiener Festwochen im Museumsquartier, gesehen am 4. Juni 2015.
Weitere Vorstellungen: 5., 6. Juni 2015.