Was Merce Cunningham für das vorige Jahrhundert war, ist Wayne McGregor für dieses. Das Hauptinteresse beider Choreografen gilt der Technologie und den Wissenschaften und nicht den psychosozialen Aspekte der menschlichen Existenz. Als Bühnenshow ist dieser spannende Hintergrund jedoch nicht immer nachvollziehbar. So manifestiert sich Wayne McGregors Auseinandersetzung mit Atomen in seiner jüngsten Produktion als repetitive Bewegungsanordnung.
Das Anfangsbild ist viel versprechend. In einem rot ausgeleuchteten, von Nebel überzogenem Kreis sind die TänzerInnen einzeln verstreut. Wie ferngesteuert beginnen sie zum pochenden Sound (von A Winged Victory fort he Sullen) ihren atomaren Beziehungsreigen, ziehen und stoßen einander ab, umkreisen einander, prallen vehement aufeinander. Visuals – Lichteffekte und Videos – verändern die Stimmungen auf der Bühne, aber die Bewegungssprache variiert kaum – es ist der typische McGregor-Mix aus neoklassischen Elementen mit überstreckten Beinen und verschobener Wirbelsäule, der in einer Ballettposition endet. Auch die Arme rotieren oder werden in expressiver Gestik gestreckt, um dann wieder eine Port-de-bras-Position einzunehmen.
Die 3D-Videos von Ravi Deepres sind bei den grafischen Spielereien mit runden Formen und kräftigen Farben sehr wirkungsvoll. Bei den Aufnahmen der TänzerInnen geht aber der dreidimensionale Effekt auf den kleinen Bildschirmen verloren. (Das dauernde Auf- und Absetzten der entsprechenden Brille, die beim Einlass an das Publikum ausgegeben wurde, nervt mich außerdem.) Die großartigen Lichteffekte von Lucy Carter (zum Beispiel das Farbenspiel auf gepixelte Rechtecke im Hintergrund) bringen die größte Abwechslung in die 75-minütige Performance.
Wayne McGregor erarbeitet seine Choreografien oft auf der Basis wissenschaftlicher Versuchsanordnungen. Auch für „Atomos“ haben die TänzerInnen mit einem technologischen Experimentierkörper gearbeitet. Bei aller Tüftelei und Liebe zum Detail, die sich auch in den raffinierten Variationen der Kostüme (Studio XO) widerspiegeln, bleibt diesmal aber der emotionale Impakt auf der Strecke. Wir sehen eine sehr ästhetische Show, die nicht zu berühren vermag. Im Gegensatz zu seinen vorigen Produktionen „Entity“ und „FAR“ ist der Tanz nicht mitreißend. Die Soli, Duos und Gruppenszenen wirken repetitiv und eintönig, da sie alle auf einem durchgängig hektischen dynamischen Level verhandelt werden.
Wayne McGregor | Random Dance „Atomos“ am 16. Jänner 2014 im Festspielhaus St. Pölten