Zum dritten Mal hat der Choreograf und Intendant des barocken Festivals in Stift Altenburg, Bernd Roger Bienert, nach eingehender Recherche zwei Stücke des 18. Jahrhunderts authentisch für die eigens gebaute barocke Bühne in der Bibliothek des Stiftes inszeniert. Das Melodram „Lenardo und Blandine“ von Peter de Winter und zum Ausgleich die köstliche Komödie „La Canterina“ von Joseph Haydn.
Wolfgang Amedédi Mozart an seinen Vater: „Diese Art Drama habe ich mir immer gewunschen …, sie wissen wohl, dass da nicht gesungen, sondern Declamirt wird ¬ — und die Musique wie ein obligirtes Recitativ ist – bisweilen wird auch unter der Musique gesprochen, welches alsdann die herrlichste Wirkung thut …“ (Zitiert aus dem Programmheft). Vielleicht hat ja Mozart auch das Schauerdrama „Lenardo und Blandine“ gesehen, dessen Libretto der Jurist und Zeichner Franz Joseph Goez verfasst hat. Die Zeichnungen jeder einzelnen Geste lieferte als „Leidenschaftliche Entwürfe zu Lenardo und Blandine. (1784)“ gleich dazu und schuf so einen frühen Comicstrip. Auch daran konnte sich Bienert und sein Team orientieren.
Die Geschichte ist so kurz wie gruselig: Die Königstochter Blandine liebt den Gärtner Lenardo. Das passt weder dem Vater noch dem von ihm ausgesuchten Bräutigam. Lenardo muss sterben. Im obligaten Gewittersturm der Streicherinnen wird Blandine um Mitternacht das blutige Herz Lenardos überbracht. Spitzer Schrei, Ohnmacht, Wahnsinn! Der königliche Vater ist erschüttert, ersticht zuerst den gemeinen Prinzen und dann sich selbst. Blandine „liegt hingestreckt da, und stirbt“. Wir sind erschüttert, spenden aber den Protagonisten, vor allem der in der Kunst der barocken Gebärdensprache unnachahmlichen Tänzerin Kira von Zierotin ausgiebigen Applaus.
Die Musik de Winters lässt Mozart ahnen, die expressiven Gesten des barocken Melodrams nehmen den Stummfilm vorweg und die Textmenge, die von Zierotin zu sprechen hat, ringt uns Bewunderung ab.
Genug geschaudert und geweint, nach der Pause geht es überaus lustig zu im Tohuwabohu beim Kapellmeister Don Pelaggio (Peter Widolz), der die süße Sängerin Gasparina (Jasmin Reda) samt ihrer (falschen) Mutter (Günther Strahlegger) bei sich aufgenommen hat. Leider ist er nicht der Einzige, der Gasparina näher kommen will, der wesentlich appetitlichere Don Ettore (Barbara Angermaier) ist sein Konkurrent. Haydn hat dieses fröhliche Intermezzo vermutlich in den ersten Dienstjahren in Eisenstadt der Fürstinwitwe Maria Anna Esterházy zum Namenstag gewidmet. Ob die Fürstin mit dem Schwindel der beiden Frauen, die schließlich beide Männer austricksen und mit Schmuck und Geld als Letzte lachen, einverstanden war, ist nicht überliefert. Das komödiantische Talent der „Madame Dichtlerinn“ (Leopold Dichtler als “finta madre“ llonia), ist jedoch verbürgt. Der Bariton Strahlegger kann mit mitreißender Spielfreude in allen Tönen durchaus mithalten und wird als Star der rekonstruierten Aufführung bejubelt. Der Spaß der kleinen Opera buffa liegt nicht nur an den beiden Hosen-/Rockrollen sondern auch in den köstlichen (italienisch gesungenen) Dialogen und dem Wirbel mit Degenkampf (auch wenn der düpierte Pelaggio nur einen Besenstiel zur Hand hat) und vorgetäuschter Ohnmacht, der auf der kleinen Bühne entsteht.
Als Maestro di Capella ist Aries Caces bereits seit 2013 beim Teatro Barocco bewährt. Mit sicherer Hand und einfühlsamen Kontakt mit den Darstellern leitet er vom Cembalo das Kammerorchester des erfolgreichen Teatro Barocco-Festivals.
Teatro Barocco 2014: Peter von Winter „Lenardo und Blandine“ ein Melodram; Joseph Haydn: „La Canterina“, eine Opera buffa. Premiere am 10. Juli 2014 in der Bibliothek des Stiftes Altenburg, NÖ.
Weitere Vorstellungen: 12., 13., 18., 19., 20., 25., 26. und 27. Juli, jeweils 19 Uhr