Mit der Neufassung 2014 des Musikdramas „Bluthaus“ haben Händl Klaus (Libretto) und Georg Friedrich Hass (Komposition) gezeigt, dass das Musiktheater noch lebt und seine Berechtigung hat. Sarah Wegener und Otto Katzameier bieten in den zentralen Rollen von Tochter und Vater beeindruckende gesangliche und auch darstellerische Leistungen.
„Bluthaus“, das sagt schon der Titel, ist grausig und spannend, aufwühlend und voller musikalischer Reize. Nicht nur mit der Uraufführung der Neufassung des dramatischen Werks – die erste Fassung wurde 2011 bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt – hat Festwochenintendant Markus Hinterhäuser gezeigt, wie Festwochen zu programmieren sind: Mutig, intelligent, anregend und auch verstörend.
Das Publikum goutiert die Überraschungen, zeigt sich neugierig und äußert mit Applaus seine Zufriedenheit. Auch wenn am Ende der grausigen Blutoper die Erschütterung und der nachdenkliche Dank an die KünstlerInnen in der gesehenen (zweiten, ausverkauften) Vorstellung eher durch freudiges Paschen ersetzt worden ist.
Sei’s drum. Dieses „Bluthaus“ möchte ich zwar im Theater wieder sehen und hören, ist es doch primär die Musik, die (wie im Film) die Gefühle von Angst und Abscheu weckt, jedoch in der Realität niemals betreten. Obwohl es ein schönes Haus ist, vom Besitzer selbst entworfen (Bühne und Regie: Peter Mussbach), mit frei schwebender Treppe, offenen Rampen und großen Glasfenstern. Der Architekt ist tot, seine Frau auch. Nur die Tochter, Nadja, ist übrig geblieben und die will das Haus abstoßen. Nicht nur das Haus, sondern ihr ganzes Leben will sie los werden. Die Erinnerungen an Missbrauch und Mord lassen sich nicht abwaschen. Auch wenn die Mutter schließlich den Vater erstochen und sich selbst die Kehle durchgeschnitten hat – Nadja ist nicht befreit. „Sie waten im Blut“, sagen die Nachbarn, „wir begreifen, dass sie fliehen.“
Zwischen Wahn und Wirklichkeit. Doch Flucht ist nicht möglich, die Toten sind immer noch da, der Vater anfangs charmant schmeichelnd, später immer bedrohlicher unvermittelt als monumentaler Zombie aufragend. Händl Klaus lässt die Geister der toten Eltern nahtlos zwischen den realen am Hauskauf interessierten Besuchern agieren. Nadja erlebt das Schreckliche immer von neuem. Katharsis gibt es keine – nicht nur die Interessenten, auch der Makler und Liebhaber Axel (Daniel Gloger agiert beeindruckend, sein Countertenor klingt allerdings oft schneidend und gequetscht) wird weggeschickt. Nadja lässt sich im „Bluthaus“ einsperren.
Bisher habe ich den Autor Händl Klaus als Meister der Reduktion erfahren, aber in der Zusammenarbeit mit dem Komponisten hat er sich gehen lassen. Zu viele Nebenfiguren, zu viele Worte. Konkret zwar, die Banalität des Bösen aufdeckend, abgehakt auch, doch schleichen die ersten Szenen der Hausbesichtigung ereignislos dahin, erst wenn die gehässigen Nachbarn die Verbrechen ans Licht zerren, steigt der dramatische Bogen der Handlung und auch der Musik zum schier Unerträglichen an. Anderthalb Stunden (statt der fast zwei) sind doch keineswegs zu wenig für einen außergewöhnlichen Opernabend.
Gesungen (oft mit ausufernden Melismen) wird nur von den vier Hauptpersonen (Tochter Nadja; Sopran; Vater, Bariton; Mutter, Ruth Weber, Sopran; Freund Axel, Countertenor) und drei Knaben (Opernschule der Wiener Staatsoper für Kinder) alle anderen Rollen werden gesprochen. Zum peinigendem Psychothriller wird das Drama aber vor allem durch die Musik, magisch, differenziert, farbig und nuancenreich interpretiert vom Ensemble Klangforum Wien unter Peter Rundel. Der Applaus, wie schon gesagt, war mehr als freundlich, begeistert gar.
Georg Friedrich Haas / Händl Klaus: „Bluthaus“ Neufassung 2014, gesehen am 13.Juni 2014, Theater an der Wien im Rahmen der Wiener Festwochen.