Dance-Me - ein Titel, der frei assoziieren lässt; „Choreographien von Grazer Passant*innen für eine Tänzerin“ - ein Untertitel, der neugierig macht, auf ein Projekt von und mit Valentina Moar, das an drei Abenden im esc Medien cunstlabor in Graz gezeigt wurde. „Film-Premiere + Tanz-Performance“ lautet eine weitere Beschreibung für das zugrunde liegende Konzept, das vor zwei Jahren entstand.
Viel Zeit zur Reife, die gut genützt wurde: Dem mutigen und aufwendigen Projekt der Künstlerin liegt die Idee zugrunde, aus Alltagsbewegungen eine Choreographie zu komponieren. Um eine höchstmögliche Authentizität des verwendeten Materials zu erreichen, sollten die Bewegungen spontan gemacht worden sein; und so befragte Moar Menschen auf der Straße nach Bewegungen, die für ihren Beruf charakteristisch seien, nach Bewegungen, zu denen sie der Ort, wo sie sich gerade befanden, inspiriere. Oder sie bat die Passanten einen von drei angebotenen literarischen Textauszügen zu wählen oder eine Musik. Anhand eines Fragebogens sollten die „Spontanchoreographen“ dann Anleitung geben, wie Moar diesen Text, dies Musik tänzerisch umsetzen solle.
Aus diesem erfragten „Bewegungsmaterial“ ließ Moar eine halbstündige Choreographie entstehen. Eine atmosphärische Bewegungscollage war zu erleben, in der die Handschrift der Künstlerin zwar merkbar war, die aber doch offensichtlich anderes, also von „außen Vorgegebenes“ integriert hatte und dabei mehr an Ecken, Kanten und Bruchstellen, an Ab- und Einbrüchen realisierte.
Wunderbar, wie diese Annäherung an das Fremde in der Anfangsszene angedeutet wird, wenn Reinhard Ziegerhofer (Musik) leise die ersten Töne in den Raum tropfen lässt und der Arm, die Hand der Tänzerin sich zögernd in den Raum hinein tastet. Immer wieder ist das Tun der Tänzerin wie ein Ausprobieren fremder Schritte, ist es ein Staunen mit leicht geöffnetem Mund ob dieser Bewegungen, die sich da aus ihrem Körper heraus entfalten; manchmal ist es, als wäre sie über die sich aus ihrer Erinnerung entwickelnden Bewegungen herzlich amüsiert, zum Teil freilich auch belastet oder zumindest getrieben, einige Male auch zu einer Art Ablehnung veranlasst. Es ist ein nachempfundenes Schweifen von Bewegungen in Bewegungen, das den Zuseher mit lockerer Hand mitnimmt – kongenial auch mit-genommen von Ziegerhofers Klängen, den akustischen Sprüngen, Pirouetten und Zick-Zack Läufen vor, zurück und diagonal auf seinem Bass.
Der zweite Teil des Abends, die Vorführung des Videos, das bei der Bewegungssuche quer durch Graz entstanden ist, kann als lustvoller, visueller Stadtspaziergang mit Bewegungseinlagen und Sequenzen zu Sozialverhalten bestens durchgehen. Hans Kraxner versteht sein Handwerk hinter der Kamera. Vor allem aber ist es eine ungewöhnliche Art der Bewegungs-Analyse, einer Entstehungsgeschichte einer Choreographie – nachvollziehbar für jeden und aufklärend für alle, die schon immer wissen wollten, wie eine Tanz-Performance eigentlich entsteht bzw. entstehen kann. Außerdem wird hier ein möglicher Ansatz zu einer Definition von Kunst nachvollziehbar, faszinierend begreifbar: dass diese nämlich eine Realität widergebe, die ein Künstler, eine Künstlerin mit anderen Augen sieht und also „kunstvoll gefiltert“ in einer, in ihrer jeweiligen medialen Form umsetzt – deutlich oder aber auch weitgehend entfremdet zum Teil durch Improvisation verbrämt. Abwechslungsreich und kurzweilig ist diese Umsetzung hier ausnahmslos.
Valentina Moar: „Dance-Me“ am 19. Dezember 2012 im esc medien kunstlabor, Graz