Mit „Rian“ geben der Musiker Liam Ó Maonlaí und der Choreograf Michael Keegan-Dolan ein spritziges, fröhlich-ausgelassenes Beispiel lebendiger Folklore, denn die kongeniale Fusion aus Musik und Tanz übersetzt Tradition in ein zeitgenössisches Idiom und in ein kulturübergreifendes Fest.
Die Bühne ist grün. Klar, wir sind in Irland. Das ist anfangs akustisch zwar noch nicht so klar, wenn die barocken Klänge eines Spinetts eingespielt werden und drei der Tänzer in formalen Anzügen eine Art höfischen Tanz vollführen. Vielleicht ein Anspielung an den englischen Hof, der so lange über Irland geschaltet und gewaltet hat und dem Land unüberwindbare Wunden zugefügt hat. Vielleicht aber auch nur ein ästhetischer Kniff, um danach mit ganzer Kraft gegen jede Beschränkung anzuspielen und anzutanzen. Denn an diesem Abend erlebt man 100 Minuten lang, wie sich TänzerInnen von heute von den traditionellen Melodien, die zwar auf alten Instrumenten, aber ebenfalls ganz zeitgenössisch im Sinne von World Music, interpretiert werden, inspirieren lassen. Das Fabulous Beast Dance Theatre, ein interkulturelles Ensemble (darunter das ehemalige Ensemblemitglied es Tanztheater Wien, Emmanuel Obeya), verkörpert die irische Musik (mit einigen Einsprengseln aus Afrika) mit einer gehörigen Portion Lust, Erdigkeit, Poesie und Fantasie. Nicht mit dem Irish Jig, bei dem die Füße virtuos steppen, während der Oberkörper ganz steif bleibt, sondern unter Einsatz des ganzen Körpers, mit sinnlichen Hüftschwüngen, mit weit ausladenden Bewegungen der Arme und des Oberkörpers und großen Beinschwüngen. Das ist so ansteckend, dass das Publikum im Festspielhaus St. Pölten am Ende der Show gerne von den Sitzen aufspringt, um auf der und um die Bühne herum mitzutanzen.
Dem tänzerisch-musikalischen Team ist mit „Rian“ ein Gegenstück zum Hype der Irish Dance Shows wie „Riverside“ oder Micheal Flatley „The Lord of the Dance“ gelungen. Die Mega-Shows irischer Folklore im amerikanischen Stil (von wo sie auch herkommen) passten gut in die Zeiten des Wirtschaftswunders des „Celtic Tigers“. Die sind nun vorbei, und die Romantik ist erschöpft.
Liam Ó Maonlaí und Michael Keegan-Dolan schöpfen hingegen aus der Kraft der irischen Kreativität, die allen Krisen, immer wieder, trotzt. Und so steht „Rian“ (das übersetzt „Spur“ oder „Zeichen“ heißt) nicht für einen idealisierenden Patriotismus, sondern für eine ehrliche Auseinandersetzung mit einem musikalischen Kulturerbe, die mit viel Lebensfreude und entspannter Gelassenheit geführt wird.
Michael Keegan-Dolan: „Rian“ am 9. März im Festspielhaus St. Pölten