Am Eingang zu den Barockgärten wird man zurückgehalten, bis der Einlass ins Paradies der Nacht gewährt wird. Der „wilde“ Gang auf Kieswegen durch den Barockgarten ist bewacht von Impuls Tanz Personal. Denn abzweigen vom direkten Weg und sich verlieren im Garten ist verboten, das Sperrgelände darf nächtens, zu dunkler Stunde nicht betreten werden. Das mächtige Schloss Belvedere leuchtet am oberen Ende des Weges erhaben auf und jeder spürt instinktiv: diese Kulisse hat schon mehrere Jahrhunderte lang gar manches menschliche „Schauspiel“ gleichmütig gerahmt. Man folgt der Gruppe von Besuchern zu einer mondbeschienen Einbuchtung, bei der schon viele Pilgernde auf weißen Decken um zwei dunkle Sockel lagern. Hier also. Eine dichte atmosphärische Soundkulisse steuern in den Gärten ansässige Grillen bei, die in der mystischen Dunkelheit ungeachtet der nächtlichen Menschenschar zirpen.
Hinter zwei Sockeln treten zwei nackte Gestalten hervor, steigen auf die Säulen, die an den Rändern von Lichtröhren gesäumt sind. Einziges Kleidungsstück: ein Hulahoop-Reifen, der lässig um die Hüften kreist, wenn Francois Chaignaud und Marie-Caroline Hominal ihre rhythmischen Bewegungen ausführen. Den Oberkörper haben sie sinnlich der Abendluft hingegeben, Kopf und Arme dem Himmel zugeneigt. Hominals lippenstiftroter Mund ist genießerisch geöffnet. Chaignauds lange blonde Locken rahmen sein Gesicht.
Fasziniert schaut man den Gestalten dabei zu, sich zu verlieren, zu verschmelzen und sich hinzugeben, der Luft, den Göttern, den Sinnen. Hominals Körper schwelgt bar jeder Hemmung höchst nuanciert zwischen Entspannung und Ekstase, lässt sich überwältigen von etwas Unsichtbarem, wird geschüttelt von/vor Erregung, in ihrem Hulohoop-Reifen von inneren oder äußeren Mächten hin und her bewegt.
Olivier Dubois wandelt nicht in Gärten der Lust sondern zelebriert einen einsamen Schrei der Revolution in einem roten, überdimensionalen Zwinger in der Halle G im Museumsquartier. Gekleidet in ein glänzendes Latex-Minikleid und in roten High-Heels scheint er seine Befehle imaginären Mit-Revolutionären zu erteilen. Irgendwann schält und windet er sich unter Schreien aus seiner Latex-Haut und entblößt seinen blutigen Körper. Oder behängt sich mit einem Mantel aus Megafonen und kriecht als wildes Tier der Revolution über die Bühne.
"Rouge" ist der zweite Teil einer Revolutionstrilogie von Olivier Dubois, der erste Teil zeigte den weiblichen Weg des Aufstands mit einem Frauenchor.
„Duchesses“ Francois Chaignaud & Marie Caroline Hominal, Barockgärten des Belvedere 30.7.2012
„Rouge“ Olivier Dubois, Halle G Museumsquartier 31.7.2012