Acht Uraufführungen waren am Abend der „Jungen Choreografen“, veranstaltet vom Ballettclub (der Staatsoper) zu sehen. Sieben Tänzer und eine Tänzerin erprobten sich als ChoreografInnen. Noch können die Vögel ihr angestammtes Nest nur schwer verlassen. Die meisten sind noch nicht flügge und deshalb auch nicht wirklich mutig genug, Neues zu erproben.
Jedes Baby, das aus der Taufe gehoben wird, ist bewundernswert. Ein Schelm, wer da herummeckert und die üblichen Maßstäbe anlegt.
Was jedenfalls vorweggenommen werden soll: Es war ein durchaus abwechslungsreicher Abend, der die unterschiedlichsten (vernünftigerweise recht kurzen) Choreografien geboten und gezeigt hat, wie ernsthaft und engagiert die Mitglieder des Wiener Staatsballett bei ihrem Beruf oder gar ihrer Berufung und Leidenschaft sind. Schließlich haben nicht nur die Choreografen und Ekaterina Fitzka, die einzige weibliche Teilnehmerin, in ihrer Freizeit gearbeitet sondern auch sämtliche Kolleginnen und Kollegen, die die erdachten Tanzstücke geprobt und aufgeführt haben.
Ohne die Bemühungen der anderen Teilnehmer (neben Fitzka, Attila Báko, Samuel Colombet, Fabrizio Coppo, Maxime Quiroga) schmälern zu wollen, seien doch drei Arbeiten hervorgehoben, die mir besonders aufgefallen sind. Zwei der „jungen Choreografen“ haben allerdings schon ein wenig Erfahrung in einer früheren Veranstaltung des Ballettclubs gesammelt: Andrey Kaydanovskiy und Eno Peci. Martin Winter allerdings, seit 2007 Mitglied des Staatsopernballetts, zeigte mit „Don't know“ seine erste Choreografie, einen ganz auf die Musik von Avo Pärt abgestimmten Pas de deux (Reina Sawei, Greg Matthews). Fast eine Geschichte.
Peci wählte mit „exitium“ ein schwieriges Thema, die letzten Minuten im Leben, wenn der Tod bereits angeklopft hat. Die Musik auf der Basis von Johann Sebastian Bach und Frédéric Chopin hat er selbst gemischt. Natürlich standen ihm mit Alice Firenze, Kiyoka, Hashimoto, Dagmar Kronberger, Davide Dato, Masayu Kimoto, Greig Matthews (und Korrepetitor Jiri Novak) TänzerInnen zur Verfügung, die seine Intentionen perfekt ausführen konnten. Peci ist fähig auch mit einer größeren Gruppe umzugehen, den großen Raum des Odeons zu nützen und einen Spannungsbogen aufzubauen. Aber auch er kann sich nur schwer von der neoklassischen Ästhetik lösen, was vor allem bei jenen, die ihr Debüt als Choreografen gegeben haben, besonders aufgefallen ist. Zwar verständlich, ist es doch schwer die Heimat zu verlassen und neue Ufer anzupeilen, aber halt nicht mutig.
Mutig war Kaydanovskiy, der mit vielen Einfällen und einer guten Portion Humor ein spanisches Dorf errichtete und kleine Szenen (zwischen Mann und Frau) auf dem in der Sonne dösenden Dorfplatz gezeigt hat. Alice Firenze erfreute mich als rabiate Freundin / Ehefrau, ihre Kolleginnen (Rafaella Sant’Anna, Erika Kóvacóva, Ketevan Papava, und Mila Schmidt) wackelten im Flamenco-Takt mit ihren entzückenden Hinterteilen und András Lukács legte ein originelles Boden-Solo hin. Da war der nasenbohrende Balletteleve in „Dolce Vita“ schon fast zu viel des Guten. Der Einsatz des Zungenbrecherprogramms „Scioglilingua“ hat der stilistisch vom klassischen Vokabular abweichenden Choreografie den richtigen Pfiff verliehen.
Wie auch immer, die Initiative ist überaus begrüßenswert, das meint auch Ballettdirektor Manuel Legris, der der Vorführung bis zum Ende mit aufrichtigem Interesse gefolgt ist.
"Junge Choreografen", Odeon, 26. Februar 2012
Letzte Vorstellung am 28. Februar 2012