Mit ihrer intelligenten und beeindruckenden „Sneak Preview“ im Wiener Stadtkino holt Doris Uhlich die Atomkatastrophe von Fukushima wieder ins Bewusstsein zurück und fragt nach der Vergänglichkeit von Bildern und Nachrichten.
Sie erscheint. Bekleidet mit einem blendend weißem BH und einer Schleppe wie zur Filmpremiere. Es ist ein Schutzanzug, den sie zu einer kurzen Hose à la Sumo-Ringer arrangiert. Erneut gefaltet entsteht ein Rock daraus. Und dann erklärt Doris Uhlich ihr fiktives Projekt in Anlehnung an Godards Ausspruch: „Wichtiger als die Filme, die ich gemacht habe, sind die Filme, die ich nicht gemacht habe“. Ausgehend von „Hiroshima, mon Amour“ entwirft sie Pläne, will mit dem Regisseur in Japan ein Interview machen, das auf der Rückwand des Kinos gezeigt wird, während auf den Seitenwänden Filme laufen. Auf der Leinwand wäre „Godzilla“ zu sehen, von dem nun der Abspann in japanischer Sprache erscheint.
Nach diesen Anfangsszenen ist der Zuschauer bereits mitten drin in der Atomkatastrophe, obwohl Uhlich direkt noch gar nicht darauf eingegangen ist. Jetzt ist sie ganz in den Schutzanzug gehüllt, kratzt sich, zittert und streift mit den Händen unaufhörlich den unsichtbaren Dreck vom Overall ab. Auf der Leinwand erscheint ein Ausschnitt aus der Originalfassung des Films, in dem Godzilla aus den Meerestiefen auftaucht und sein Unheil anzurichten beginnt. Uhlich nimmt davor Stellung und fährt mit dem Umarrangieren des Overalls fort bis sie als Freiheitsstatue vor der Leinwand steht. Dann wirft sie den Anzug in die Filmflammen, die Godzilla entfacht hat.
„Wie geht es in Japan?“, fragt sie ihre japanische Freundin Maru im eingeblendeten Chat. „Welches Bildmaterial, welche Abbildungen einer Katastrophe gibt es, die unsichtbar ist wie die radioaktive Strahlung “, fragt sie. Und überhaupt: „Wo sind die Bilder?“, denn Fukoshima ist seit langem aus den Medien verschwunden. Wie der Liebhaber in „Hiroshima, mon amour“ antwortet die Freundin, dass Doris gar nichts verstehe. „Schön wär’s: Bilder weg, Katastrophe weg“, schreibt Maru.
In prägnanten und markanten Bildern destilliert Doris Uhlich in dieser 30-minütigen Skizze das diffus-ohnmächtige Gefühl angesichts von Katastrophen wie Fukoshima, die wir aus den Medien wahrnehmen. Ihre performativen Assoziationen sind mit den Emotionen der Zuschauer deckungsgleich – das passiert selten in dieser Stringenz und Direktheit.
Doris Uhlich „Sneak Preview“ im Stadtkino, veranstaltet von brut Wien, am 11. Oktober 2011.
Wiederholung am 18. Oktober, 21 Uhr.