Den letzten Teil seiner choreografischen Dreiteilers "The Puzzled Wife" hat Bernd R. Bienert in der riesigen Halle der ehemaligen Ankerbrotfabrik gezeigt. Zu erleben war nicht nur das Verschmelzen dreier Frauen zu einer, sondern auch wie durch das Zusammenwirken von gesprochenem Text, Gebärdensprache und Tanz ein neues Stück ensteht.
Zuerst war das Wort (gesprochen, gespielt und getanzt von Hans Dieter Knebel), danach war die Gebärdensprache (stumm gesprochen und getanzt von Alice Xiaoshu Hu) und schließlich gesellte sich die Bewegung hinzu (geschritten, gestelzt, gesprungen, gerollt und getanzt von Martina Haager, Ursula Szameit, Kira von Zierotin, Kun Chen Shin und Karl Schreiner). Als „performative und begehbare Rauminstallation“ hat Bienert nun die Teile seines Konzepts „The Puzzled Wife“ übereinander gelegt und dem Publikum ein interessante Erlebnis beschert.
Die große Halle der ehemaligen Ankerbrotfabrik im 10. Wiener Bezirk ist zur Arena geworden, vom Sesselgeviert umschlossen, der weite Raum zwingt nahezu zum Herumgehen. Der Eindruck der nebeneinander und übereinander gelagerten Elemente (Sprache, Gebärde, Bewegung, Stimme, Körper, Text) verändert sich mit jedem Schritt.
Einerseits steht der Abend für sich und man erkennt und versteht, was der Choreograf Bernd R. Bienert ausdrücken möchte. Doch andererseits passiert für jene, die auch die beiden anderen Teile gesehen haben, mehr als nur die Begegnung mit den drei Frauen, die durch die Gedanken und den assoziativen und auch witzigen Text Bienerts, zu einer werden, mehr auch als die sichtbare Verschmelzung von Text– Bewegung –Tanz. Die Veränderung, die durch den anderen Raum, die neuen Elemente und Abläufe passiert, lässt mich immer wieder zweifeln, ob Bienert nicht doch den Text verändert, ob Alice Xiaoshu Hu sich nicht doch eine neue Choreografie für ihre Gebärden zurechtgelegt hat und ob auch die Gebärdensprachdolmetscherin (Katharina Schalber, ganz in Schwarz wie die Tanzenden) wirklich den Text übersetzt. Jedenfalls ist durch die Wechselwirkung der DarstellerInnen und der Elemente, durch das Wachsen des Performanceraumes (man erinnere sich, der erste Teil wurde im kleinen „Atelier“ des BA~CA Kunstforums gezeigt) ein neues Stück entstanden, in dem Knebel nicht mehr der Alleinherrscher des Puzzles ist. Er beherrscht die Bühne dennoch durch das Wort, auch dadurch, dass er sich Freiheit erlaubt, die Arena verlässt, erschöpft an der Wand lehnt oder gemütlich auf einem Sessel sitzt und sein Jausenbrot verzehrt. Dennoch, der Text, die verbalen Assoziationen zu den drei von der Öffentlichkeit so angebeteten wie missverstandenen Frauenfiguren, tritt in den Hintergrund, die Bewegung (Gebärden und Tanz) bemächtigt sich seiner. Karl Schreiner bringt mit unheimlichem Einsatz eine vierte Dimension in die Installation, wirft sich mit Verve auf den steinharten Boden, bellt als Hund hinter Knebel her, ist sein alter Ego und seine Emotion– ein Programm für sich. Wer aufmerksam schaut, sieht deutlich die Variationen, die Tänzerinnen und Tänzer zum Thema der Gebärden erfinden. Der Text wird nicht interpretiert und doch entsteht manchmal Gleichklang, manchmal auch das Gefühl, die Bewegungen nähmen von Knebel virtuos artikulierten Phrasen vorweg, werfen den Wortschwall als Echo zurück.
Dann versiegt die Sprache, peu à peu erlöschen die Scheinwerfer, die Bewegungen verebben im Dunkel. Der Applaus verhallt im hohen Weit der Halle. Nicht alle ZuschauerInnen können ihn hören, sie heben die Arme, winken mit den Händen. Sie haben nichts oder kaum etwas gehört, sie haben nur gesehen. Eine Dimension, die ihnen allein gehört.
The Puzzled Wife, ehemlige Anker-Expedithalle, 6. Juni 2011