Vor dem Anfang stand ein Gastspiel Edward Clugs und seiner Tänzer in der Oper Graz. Am Anfang stand der Wunsch, einander näher zu kommen, Choreographen und Tänzer stärker und wechselweise aneinander zu binden. Und dann war da auch noch „die Neugier für die Tänzer“ aus dem anderen Ensemble, wie Darrel Toulon im Programmfolder seine individuelle Absicht untermauert, „die Persönlichkeiten aus den Tänzern locken“ zu wollen.
Und da war auch das grundsätzlich Verbindende: das zweier Kulturen, die nicht nur geographisch benachbart sind, und das der beiden leitenden Choreographen und Ballettchefs in Form ihrer Kunstauffassungen. Und so kam es, dass Edward Clug in Graz mit dem hiesigen Ensemble und Darrel Toulon in Marburg mit dem dortigen eine jeweils ungefähr einstündige Choreographie erarbeiteten.
Die ersten beiden Teile des „Tanz-Opus in drei Akten“ – „Sketches“ von Edward Clug, (Premiere 11.Juni 2010) und „Sladko Suite“ von Darrel Toulon (5. September 2010), beide auf der Studiobühne der Oper Graz – wurden von Publikum und Kritik begeistert und positiv aufgenommen. Die Publikums-Reaktion auf den dritten, auf den gemeinsamen Teil in Marburg (Premiere 1. April 2011) war auch bei der gesehenen vorletzten Vorstellung ein nicht enden wollender Applaus.
Das Faszinosum des hochwertigen Potenzials in anderer Mischung war schon bei den beiden Einzelpremieren gegeben und nachempfindbar. Die zeitliche Aufeinanderfolge und damit das Erleben formal-interpretatorischer, unmittelbarer Gegenüberstellung war schließlich von außer-gewöhnlicher Qualität.
Dass nur wenige aus unserem Land dieses Angebot, diese Möglichkeit zum spannungs-und aufschlussreichen Vergleich nutzten, ist bedauerlich, auch wenn das Haus auch bei der erlebten sechsten Vorstellung durchaus gut besucht war.
Darrel Toulons Ansatz ist (wiederum) ein gesamtheitlicher: Das gilt für das locker-witzige und spontan wirkende Auflösen der vierten Wand – nicht zuletzt dank des performativen Könnens der Tänzer von Clugs Compagnie gerät dieser Versuch (fast ausnahmsweise) überzeugend authentisch. Und das gilt für die fließende Verflechtung der einzelnen Darstellungsebenen: für ihr tatsächliches Miteinander, weil sie gegenseitige Impulsgeber sind. Der live agierende und selbstverständlich integrierte (großartige) Musiker durch Töne, die „sichtbar“ zu Bewegung werden, indem sie nicht übersetzt, sondern in ihrer Eigenständigkeit durch Klang zum Leben erweckt werden – und auch umgekehrt. Und das gilt schließlich auch für die Videopassagen, wenn etwa das Wasser nicht nur die abgebildeten Schwäne schaukelt, sondern aus sich heraus auch die „tanzenden Schwäne“ generiert.
Edward Clugs „Lebenswelten“ des ersten, großartig ins Licht gesetzten Teils ist von großer, absurder, Kreativität geprägt, gleichermaßen anziehend wie er- und abschreckend. Die Interpretation dieser letztlich einfachen und in ihrer Wirkung grandiosen Bilder ist im einzelnen sehr offen, zukunftsgerichtet am ehesten in ihrer Grundtendenz – aufrüttelnd jedenfalls so manches, wenn es nur zugelassen wird. Von ganz anderer, von urtümlicher Kraft der zweite Teil – auch der einer Katharsis im weitesten Sinne –, der letztlich auch den sehr stark agierenden Grazer Tänzern zugeschrieben werden kann
Einer der unmittelbaren, hoch interessanten und möglichen Vergleiche zwischen den beiden Choreographen (und TänzerInnengruppen) drängt sich durch ihren unterschiedlichen Einsatz agierender und reagierender Hände auf; sehr fein und präzise jeweils, poetisch eher der eine, dramatisch der andere. Ähnlich divergierend ist der von beiden eingesetzte Witz respektive der Humor.
Zusammengefasst kann der Handy-Kommentar einer jungen Slowenin nach der Vorstellung zitiert werden: Genialo!„Meeting Maribor“, 6. April 2011, im Slowenischen Nationaltheater Maribor am 6. April 2011