Der Zirkusclown, träumt von seinem Begräbnis. Einen riesigen Aufmarsch wird es geben, mit Musik und Tanz, fliegenden Engeln, Kaskadeuren, ganz kleinen und sehr großen Menschen, einen Corteo eben. „Corteo“ nennt sich auch die neue Show des Cirque du Soleil. Der Abend ist mehr als eine Folge von Zirkusnummern in der Mange, fast ein Film von Federico Fellini.
Mauro, der alte Clown, liegt im Sterben, um sein goldenes Himmelbett versammeln sich die Clowns und Akrobaten, die Jongleurinnen und Tänzerinnen, um Abschied zu nehmen. Darüber schweben bereits die Engel. Die Kronleuchter beginnen zu tanzen und werden von den Akrobatinnen als Trapez benutzt, um sich durch die Lüfte zu schwingen.
Luftig und leicht ist dieser Abend des kanadischen Cirque du Soleil, an dem sich nicht nur die zarten geflügelten Wesen in ihren zauberhaften Kostümen in der Luft befinden, sondern auch Radfahrer, eine Puppenfrau an riesigen Ballons und ein weißer Clown, der mit brennenden Kerzen kopfüber unter der Kuppel des Märchenzeltes in St. Marx wandert. Die Akrobaten tanzen am Seil, drehen sich in ihren Reifen, hängen als Marionetten an den Gummischnüren. Das farbige Licht lässt die drehbare Bühne, Kostüme und Geräte leuchten und glitzern.
Für die Kinder tanzen zwei Pferdchen, die mit viel Witz auch ihr Innenleben (je zwei Frauen in Stöckelschuhen und zwei Männer in roten Tretern) preisgeben. Auf der herbeigezauberten Miniaturbühne schlägt Julia nicht nur ihren Romeo mit dem Pracker, sondern jeden der Wanderschauspieler, der ihr in die Quere kommt; eine Parade von Schuhmodellen ohne die dazugehörenden Füße zappelt über die Bühne der Arena; die KaskadeurInnen veranstalten ihre Sprünge und Saltos als Polsterschlacht auf rollenden Himmelbetten, die Seiltänzerin spaziert in Spitzenschuhen über den Draht und klettert barfuß das Schrägseil hinauf bis sie im Himmel verschwindet. Diesen, vor allem die dort schwebenden Engel, will auch der Balanceur erreichen und klettert auf seiner freistehenden Leiter höher und höher. Doch die Engel können ganz schön boshaft sein, sie entziehen sich ihm immer wieder. Trotz aller verträumten Poesie ist Schabernack nicht verboten. So weit auseinander gezogen wie niemals zuvor steht die Trapezkonstruktion für die rosa gekleideten Elfen, die mit ihren Schrauben und Salti so schnell durch die Luft wirbeln, dass die Fänger alle Hände voll zu tun haben. Zur Beruhigung der Nerven ertönt Musik aus der Glasharfe, der Kunstpfeifer zeigt seinen langen Atem zu melancholisch tönenden tibetische Klangschalen. Und das ist noch lang nicht alles, was diese magische Parade zu bieten hat.
Nicht nur die zirkusbegeisterten Herzen fliegen hoch, bei diesem bunten und abwechslungsreichen Corteo der Superlative. Das Orchester und ein Sänger umschmeicheln Mauros Träume mit sanfter Begräbnismusik; die aufwendige Bühnendekoration, die in sanften Farben gehaltenen Kostüme und die alten Meistern nach empfundenen mit Aquarellfarben bemalten Vorhänge lassen auch das Publikum träumen.
Zum ersten Mal ist das Plateau in einer Arena aufgebaut, das Publikum sitzt zu beiden Seiten, sodass nicht nur die KünstlerInnen zu bewundern sind, sondern gleichzeitig die staunenden Mienen der ZuschauerInnen. Wie gewohnt präsentiert sich die Show des Cirque du Soleil aus einem Guss, ohne unnötige Auf- und Abbaupausen geht eine Nummer in die andere über. Alles schwebt und kreiselt, fliegt und tanzt, als wär das Leben ein einziger Luftsprung.
Cirque du Soleil: Corteo, Unter dem weißen Grand Chapiteau, Neu Marx 1030 Wien, 10. Februar 2011.
Der Cirque du Soleil gastiert bis zum 13. März in Wien.