Workshops ...
Wer nicht nur zusehen, sondern selbst aktiv sein wollte, ist bei den Workshops von Tanz Bozen (organisiert vom Südtiroler Kulturinstitut) bestens aufgehoben. Das Kursfestival läuft immer parallel zu den Tanzprogrammen, diesmal dauerte es von 19. – 31.7. Der künstlerischen Leiterin Edith Wolf Perez gelingt es immer wieder, interessante Impulse zu setzen und attraktive Kurse anzubieten. Neben den bereits bekannten Lehrer/innen wie u.a. Carole Alston (Jazz/Musical), Belen Cabanes (Flamenco), Gianluca Girolami (Jazz), Patrick Grigo (Hip Hop), Karen Henry (Ballett), Svetlana Kuznetsova (Ballett), Andy Lemond (Hip Hop/Funky), Chantal Loïal (Afro-Carribean Dance), Fabrizio Lolli (Hip Hop), Nancy Lushington (Modern/May O´Donnell Technique), Brigitta Luisa Merki (Flamenco), Britta Pudelko (Contemporary Technique) und Natalia Viñas Roig (Contemporary Dance) durfte natürlich auch Anne Marie Porras ((Jazz) nicht fehlen.Neu als Pädagogen in Bozen waren Sharon Booth (Contemporary und Modern Taylor Technique), Xavi Monreal (House) sowie der Hip-Hopper Niels Robitzky, bekannt als Storm.
Jennifer Mann bot erstmals Yoga an und damit die Gelegenheit der Selbsterfahrung, dass es sich bei dieser Meditationstechnik um mehr als Körperübungen handelt, da jede/r nach innen fühlen kann um diese aktivierte Energie für sich zu nützen. In ihren Contemporary Dance Stunden nach der von ihr und Heidi Weiss entwickelten und so benannten Weiss-Mann-Methode verbanden sich traditionelle Techniken mit Alexander Technik, Relaese und Yoga. Gabriele Cupelli (Ballett) und Sam Watson (American Jazz) waren ebenfalls neu im Team von Bozen. Der Italiener hatte sich zum Ziel gesetzt, als ehemaliger Tänzer und erfahrener Pädagoge in seinem klassischen Training zu erreichen, dass die Teilnehmer/innen bei aller Ernsthaftigkeit mit einem Lächeln auf den Lippen und im Herzen ihre Fortschritte machen. Dem Amerikaner war das positive Erleben ebenfalls wichtig: in einem angenehmen Umfeld lernt es sich leichter - so dass am Ende der Woche alle mit einem guten Gefühl und fertig einstudierten Choreografien beschwingt nach Hause fuhren.
Neben den Angeboten für jede Altersstufe und differenziert nach den Niveaus gab es eigene Kinderkurse sowie spezielle Pädagogikseminare. So vermittelte Martin Puttke das Grundprinzip von DANAMOS, Ulla Wenzel und Eileen Wanke boten gemeinsam tänzerische Früherziehung an, wobei letztere auch ein eintägiges Tanzmedizin-Seminar leitete. Erstmals fand ein außergewöhnliches Highlight auf dem Pädagogik-Sektor statt: Amoura Latif vermittelte im Anschluss an die beiden Workshop-Wochen in einer viertägigen Weiterbildung für Orientalischen Tanz das Kennen lernen anderer Kulturen und das Verständnis im kulturellen Austausch; es standen aber auch Grundkenntnisse in orientalischer Musik (Ethno-Perkussion: Bruno Assenmacher) im Mittelpunkt.
... und Aufführungen
Das diesjährige Motto der Aufführungen lautete „Made in Italy“ und gab damit dem Publikum Gelegenheit zu Begegnungen mit den international bekanntesten und renommiertesten Vertretern der italienischen Tanzszene.
Die Veranstalter des Festivals - Stiftung Stadttheater und Konzerthaus (Direktor: Manfred Schweigkofler) brachten insgesamt 14 Ensembles in die Stadt, die sich in sieben Uraufführungen, sechs Italien-Premieren und fünf Co-Produktionen vorstellten. Gleichzeitig engagierte sich das Tanzfestival heuer erstmals auch ökologisch, indem es für nachhaltigen Umweltschutz eintrat und in Zusammenarbeit mit dem Ökoinstitut Südtirol „Going Green“ propagierte.
Zum ersten Mal gab es auch eine Kooperation mit dem Trentiner Festival Pergine Spettacolo Aperto. Es gab daher einen Bus-Shuttle-Service von Bozen zum Gastspiel des Aterballetto in Pergine bzw. umgekehrt sorgten die Organisatoren aus dem Trentino für einen Zubringer-Dienst zur Uraufführung des Diptychons „Densità dell´umano“ Compagnia Abbondanza/Bertoni, das am 28. und 29. Juli aufgeführt wurde.
Italienisches Tanztheater
Diese zwei eng miteinander in Verbindung stehenden Stücke von Michele Abbondanza und Antonella Bertoni haben den Mensch zum Thema und entstanden in 2jähriger Entwicklungsarbeit – inspiriert von den Texten „Le Nozze“ und „Massa e potere“ von Elias Canetti. Stand in der Uraufführung „A libera Figura“ – obwohl eigentlich Kapitel 2 wurde es in der Reihenfolge der Vorstellungen vorangestellt – die dunkle Seite der Einsamkeit des Menschen im Mittelpunkt; so ging es in „La Massa“ um die schützende Stärke, die man in der Masse finden kann. Diente der uniformgekleideten (blue jeans, weißes Hemd, barfuß)12-köpfigen Tanztheatertruppe jeweils ein Stuhl als wesentliches individualisierendes Utensil im zuerst aufgeführten Werk, so verband im zweiten ein Tisch die hier 10 Personen umfassende Gruppe (allesamt gekleidet in schwarz – Anzug bzw. Kleid) miteinander. Einsatz von Sprache (auch sprachähnliche Laute, Schreie, Pfiffe) sowie Gesang, Licht und Musik oder Geräusche komplettierten das Gesamtkonzept der beiden kreativen Schaffenden, die selbst aktiver Teil ihrer Truppe sind. Das Choreographenduo wollte mit dieser Produktion nicht bequeme Antworten geben um gemütlich zu unterhalten, sondern in erster Linie Fragen stellen, die den Zuschauer über das Vorstellungsende hinaus beschäftigen sollten. So könnte man bezüglich Einsamkeit überlegen, ob man in schlechter Gesellschaft ist, wenn man mit sich allein ist – oder betreffend Verhalten in einer Gruppe – fühlt man sich nur deshalb gut/geborgen, weil man in einer Gemeinschaft ist? Diese oder ähnliche Gedanken drängten sich beim Zusehen dieses sehr kompakten Zweiteilers aus je 70 Minuten Dauer ohne Pause auf. Der Intimität zum Publikum wurde durch den Aufführungsort der Studiobühne im Keller des Stadttheaters Rechnung getragen.
Sensitivität und tänzerische Bewegung
Ein besonderes Projekt wurde von der Compagnia Virgilio Sieni vorgestellt, das in der Arbeit in der von Namengeber des Ensembles gegründeten Accademia sull´arte dell gesto entstand. Zu 3 Terminen (28., 20.00 Uhr sowie 29. um 10.00 Uhr sowie 20.00 Uhr) wurde ein Solo mit dem Titel „Sospendere il cammino“ vorgestellt, das der Choreograf Virgilio Sieni für den blinden Tänzer Giuseppe Comuniello gestaltet hat. Als körperhafte Erzählung zur Phantasie-Reise in die Welt der Farben bestach der junge Künstler durch sein Bewegungsspiel auf der in verschiedene Farben getauchten ansonsten leeren Unterbühne im Stadttheater (Sottopalco). Er erspürte den Raum, nahm ihn wahr. Eine (rote) gespannte Schnur als Mittellinie auf dem Bühnenboden war das einzige Hilfsmittel, das für den Zuschauer sichtbar zur Orientierung des Tänzers diente. Beginnend mit weißem, hartem Licht aus Neonröhren wurde die Bewegung intensiviert im blauen Licht, dann rotem Licht und zuletzt im weißen Licht aus Scheinwerfern, die hinter den weißen Vorhängen postiert waren, die die Bühne begrenzten. Zuletzt fordert der Tänzer einen Freiwilligen aus dem Publikum auf, zu ihm zu kommen. Ein junger Teilnehmer aus den Workshop-Kursen von Bolzano Danza ließ sich auf die Begegnung ein, vertraute als Sehender dem Blinden, indem er die Augen schloss und sich im wahrsten Sinne des Wortes in die sensiblen Hände seines Führers begab, die ihn leiteten. Ein bemerkenswertes und berührendes Erlebnis, das mit sehr viel begeistertem Applaus bedankt wurde.
Internationale Compagnien zu Gast für italienische Co-Produktion
Mit „Triple Vision“ (29.7.) war ein ganz besonderes Projekt für den Bozner Tanzsommer 2010 geplant. Der junge italienische Choreograf Mauro de Candia hatte im Vorjahr mit einem Improvisationsabend mit der Bozner Tänzerin Alessandra Pasquali, die beim Staatsballett Berlin als Halbsolistin engagiert ist, einen Einblick in seine Arbeit gegeben. Nun sollte gemäß dem heurigen Motto ein gemeinsamer Abend mit seinen Kreationen auf der großen Bühne des Stadttheaters entstehen, interpretiert von 3 bedeutenden europäischen Compagnien. Bedingt durch den unerwarteten verletzungsbedingten Ausfall eines Stuttgarter Tänzers wurde das Konzept kurzfristig umgestellt. So erhielt der als dreiteilig geplante Abend ein Solo des Choreografen vorangestellt, das dieser selbst interpretierte. „Private Garden“ wurde als Uraufführung präsentiert, sollte es doch eigentlich erst im Herbst im Museum Petit Palais in Paris gezeigt werden – als Hommage an den impressionistischen Maler de Nittis, der wie de Candia aus Barletta stammt. Zur spröden Musik von Phillip Glass gab der Künstler einen intimen wie klar strukturierten Einblick in seinen „privaten Garten“, in dem sich seine Seele öffnete und dem Betrachter erschloß. In fast asketischer asiatischer Klarheit, bestach er durch seine Darstellung. Danach zeigte das Royal Ballet of Flanders mit zwei Paaren „Stillness of an empty move“ als italienische Erstaufführung (Musik: Helmut Lachemann). Ein Piece über das Warten, das die Tänzer auf der nach allen Seiten offenen Bühne bringen: in dieser Phase zwischen Austausch miteinander und Beschäftigung mit sich selbst und der unmittelbaren Umgebung wurde u.a. der Bühnentanzboden demontiert, als Umhang verwendet oder dafür benützt, um sich darin gleich einem Spiegel im Schattenbild zu betrachten. Trotz des eifrigen Beifalls wegen der intensiven Interpretation durch Eva Dewaele, Courtney Richardson. Euvgenij Kolesnik und Pedro Lozano machte sich Ratlosigkeit beim Betrachter breit, enttäuschte dieses 13minütige Werk doch sehr nach der so subtilen wie gelungenen eigenen Vorgabe des Solos zur qualitätsvollen Einstimmung. Nach der Pause dann der den Umständen entsprechend adaptierte Beitrag des Stuttgarter Balletts. Um den thematischen Auflagen weiterhin gerecht zu werden (nur Werke italienischer Choreografen aufzuführen), kam nun statt „Untitled Figures“ ein Pas de deux aus Mauro Bigonzettis „Kazimir´s Colours“ dran. Zur Musik von Dmitrij Shostakovitsch tanzten Elisabeth Mason und Marijn Rademaker gefühlvoll, eloquent und mit Ästhetik in Stil und Bewegung ihren Part – umjubelt vom Publikum. Einen tänzerisch sehr unterhaltsamen Nonsense gaben dann die 6 Tänzer vom Staatsballett Berlin (Maria Boumpouli, Beatrice Knop, Alessandra Pasquali, Leonard Jakovina, Rainer Krenstetter und Federico Spallitta) mit „Indigo Mood“ zum Besten. Hier bewies Maurio de Candia, dass er mit seiner Bewegungssprache auch witzig sein kann. Divenhafte Weibchen und Macho-Männer ulkten zu alten Hits (von Al Caiola, Don Swan, Dean Elliot, Gloria Wood und Nat King Cole) in Badetrikots über die Bühne, wobei sehr wohl auch deren exquisite Tanzkunst aufblitzen konnte. Ein amüsanter wie origineller Ausklang eines sehr verschieden gearteten Abends.
Alles in allem also ein umfangreiches, vielfältiges Angebot, das bereits jetzt Lust auf Bolzano Danza 2011 macht!
Tanz Bozen / Bolzano Danza: 19. bis 3. Juli