Chris Haring versetzt mit seiner Formation Liquid Loft das Publikum in einen Garten Eden, der zum Wohlfühlen einlädt. Doch das Paradies ist tückisch. Die Tanzinstallation „Wellness – The Perfect Garden“ kippt immer wieder in die Beklemmung und erregt Abscheu. Eine ebenso anregende wie erschreckende Metapher für Körperkult und Kuschelkurs, wenn man so will. Eine hervorragende Demonstration von Bewegung im Raum zur Musik auf jeden Fall.
Das Ambiente lädt die Seele zum Baumeln ein. Unter dem Glasdach des Palmenhauses im Wiener Burggarten wuchern magische Pflanzen aus Schaum, rosa Gelmatten liegen im grün schimmernden Licht, harmonische Klänge erfüllen den Raum. Bald bevölkert eine bunte Gruppe von schönen Menschen (zwei Männer, fünf Frauen) diesen Garten, der sich perfekt nennt. Doch das ist er nicht. Der Schaum quillt unaufhörlich aus Flaschen, Röhren und Brunnen, die Menschen können nicht genießen, sondern wollen immer mehr, mehr Streicheleinheiten, mehr Sex, mehr Wohlgefühl. Gelächter erstarrt zum kollektiven Schrei, wohliges Räkeln wird zum spastischen Krampf, Streicheln artet in Kratzen aus, Gruppenlust wird zum Gruppenfrust. Und wer keinen Partner findet, küsst eben den Lautsprecher, wem niemand Wohl tun will, der tut es sich selbst.
In ganz unterschiedlichen Szenen – von lässig entspannt über hocherotisch bis widerlich abschreckend – lässt Chris Haring mit seinem Team die fünf TänzerInnen (Stephanie Cumming, Kathryn Enright, Ian Garside, Anna Maria Nowak, Raquel Odena, Simone Truong, Thales Weilinger) im Garten Eden nach Genuss und Befriedigung suchen, entspannt und lieblich anzusehen, verkrampft und traurig und immer gierig nach noch mehr auch wenn die Schmerzgrenze bereits überschritten ist. Wie Skulpturen, isoliert und in der Gruppe zusammengeballt, stehen / liegen /wandeln sie unter der Soundkuppel von Andreas Berger im auf den ersten Blick so angenehm wirkenden Ambiente von Michel Blazy. Haring theoretisiert nicht (auch wenn ihm der künstlerische Begleiter Andres Spiegl eine Unterlage dazu geliefert hat) und lässt auch unser Gehirn in Frieden (das können wir nachher einschalten, wenn wir die Performance genossen haben), er widmet sich in seiner Choreografie den Bewegungen der Körper, die sich fast traumwandlerisch durch den wuchernden Garten bewegen, bis der Traum zum Albtraum wird.
Die einstündige Performance – ich denke Tanz-Installation passt besser, weil ja der Raum, das Licht (beides von Dramaturg Thomas Jelinek gestaltet) und der Sound ebenso wichtig sind, wie die Körper der TänzerInnen – bietet alles, was sich das Publikum nehmen will: Eine perfekt und intelligent arrangierte Show zur Unterhaltung, eine Körperperformance der delikatesten Art, einen dezent vorgehaltenen Spiegel oder einen Anlass zum Nachdanken, ob das totale Wohlgefühl tatsächlich ein erstrebenswertes Ziel ist.
„Wellness – The Perfect Garden“ im Rahmen von ImPulsTanz, Palmenhaus im Burggarten, 5.August 2011