Zeigen und Verstecken: Die Sprache der Kleidung. Für die Ausstellung „Inside Out – Einblicke in Mode“ verpackt das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Mode in einen theoretischen Kontext. Damit hebt sich die Show mit Exponaten internationaler Designer, kuratiert von Angelika Riley, wohltuend von den üblichen, wenig aufregenden Ausstellungen ab.
Ausstellungen rund um das unendlich weite Thema der Mode können ziemlich langweilig sein. Mehr oder weniger tragbare Kleidung hängt still und verstaubt auf Ständern und Bügeln herum, ziert Schaufensterpuppen, manches liegt gar archiviert in Glasvitrinen. Es fehlt das, was die Kleidung ausmacht: die Bewegung von Stoff und Körper. Während ein Gemälde oder eine Skulptur sich im Museum zu Hause fühlt, wirkt die Kleidung darin oftmals deplatziert. Selbst die Mode-Expertin Anne Hollander erklärt in ihrem längst zum Klassiker avancierten Buch „Anzug und Eros“ von 1995, dass sie Kostümausstellungen allein aus Pflichtgefühl besuche.
Doch es geht auch anders. Dass Mode durchaus in eine Ausstellung passt, das kann man im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe erleben. Unter dem Titel „Inside Out – Einblicke in Mode“ werden dort mehr als 55 Modelle von internationalen Designern nicht nur präsentiert, sondern mit einem theoretischen Kontext versehen. Kleidung wird direkt in einen kunsthistorischen Diskurs eingefügt.
Die Spielarten der circa 30 Designer sind vielfältig. Die Kuratorin der Ausstellung, Angelika Riley, hat sie in vier Kapitel unterteilt. Simulation, Enthüllung, Verfremdung und Verformung. Die Mode, die unter diesen Überschriften gezeigt wird, ist vor allem performativ, weniges nur tragbar. Ein Mantel mit vier Ärmeln, überdimensionale Schnitte, Stoffe, die bedruckt sind mit nackter Haut, ein Kleid wie eine Schlangengrube. Es gibt Entwürfe, die die menschliche Silhouette verfremden, so zu sehen bei den 2D-Kleidern der Japanerin Rei Kawakubo. Bei ihr werden Körperdimensionen mit geometrischen Übertreibungen kontrastiert. Auf eine ganz andere Weise findet das Motiv der Verfremdung in Fridtjof Lindes Seidenkleid seinen Ausdruck. Während der Schnitt ein eher klassischer ist, hat der Designer verschiedene Stoffe zu einem neuen Muster zusammengefügt und doubliert. Entstanden ist eine elegante Assemblage, eine Collage. Oder es entstehen durch Fotoaufdrucke so genannte Poster Dresses. Harry Gordons Minikleid mit dem Titel „Mystique Eye“ gehört dazu. Der Designer Martin Margiela wiederum orientiert sich an Kunstströmungen wie der Arte Povera. Mit nach außen gestülpten Nähten und offenen Säumen macht er die Konstruktion der Kleidungsstücke sichtbar. Das Spiel mit dem Ver- und Enthüllen des Körpers findet man beispielsweise bei Philippe Starck. Er kreierte elastische Schlauchkleider, die sich der Körperkontur genau anpassen. Der Entwurf eines Oberteils von Simone Rocha variiert diese Methode. Er bietet transparenten Durchblick.
Das Thema der Simulation gehört zum Repertoire der niederländischen Designerin Iris van Herpen. Ihr kurzes Snake Dress, aus flexiblen, schwarzen Röhren gefertigt, überschreitet die Grenzen zwischen Kleid und Skulptur, zwischen Mode, Kostüm und Objekt. Nicht erstaunlich ist es daher, so Riley, dass van Herpens Arbeiten bislang vor allem von Museen gekauft werden. Die großen Modehäuser halten sich da noch zurück.
Beispiele für das bewusste Verformen des Körpers findet man nicht nur in aktuellem
Modedesign. Vielmehr greift die Haute Couture immer wieder historische und kulturelle Referenzen auf und transformiert sie in neue, mitunter extreme Formen und Schnitte. Als Beispiele für solche Quellen sind in der Ausstellung einige historische Kleidungsstücke zu sehen. Ein Mieder aus dem 18. Jahrhundert mit seiner typischen Schnürung zeigt die Einengung von Oberkörper und Taille. Ein Sommerkleid mit Keulenärmeln von ca. 1825 steht beispielhaft für die optische Veränderung von Schulterlinie und Ärmeln.
Doch nicht nur solche Modelle, die Wiederholungen und Zitate in der Geschichte der Mode offenlegen, ergänzen die ausgestellten Exponate. Hilfreich sind auch einige Videoarbeiten und Filme von Modeschauen. So bekommen die Besucher eine gute Vorstellung davon, wie die Objekte am bewegten Körper wirken.
„Inside Out“ ist nicht die erste interessante Mode-Ausstellung, die das Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert. Schon seit langem beschäftigt man sich dort mit dem Zusammenhang von Kunst und Kleidung. Dabei kann zum einen aus einem riesigen Fundus geschöpft werden. Zum anderen ermöglicht die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen oftmals spannende Neuankäufe. Die aktuelle Schau steht also ganz in der Tradition dieses Hauses.
Die Ausstellung „Inside Out – Einblicke in Mode“ ist noch bis zum 13. Oktober 2013 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.