Es sind sensationelle Momente, die Lisa Rastl über mehrere Jahre hinweg in verschiedenen Locations von den mobilen Stadtinstallationen „bodies in urban spaces“ der Cie Willi Dorner mit ihrer Kamera eingefangen hat. Wie die TänzerInnen in waghalsigen Positionen unzugängliche Lücken und Hohlräume von Gebäuden füllen oder mit ihren bunten Klamotten einfach das Stadtbild beleben, gibt Anlass zum Staunen und zum Lächeln.
Ein Tänzer agiert als fehlendes Stück im Regenrohr, ein anderer ist zwischen der Mauer und einem Verkehrszeichen eingeklemmt, eine Dreiergruppe hat sich zwischen dem Geländer und der Wand verfangen, einer ist auf einem Baum kopfüber zwischen zwei Ästen eingequetscht, eine Gruppe füllt als vertikale Säule eine Mauerlücke zwischen zwei Gebäuden. Die Situationen sind je nach architektonischer Gegebenheit in jeder Stadt unterschiedlich, und doch erkennt man ein sich wiederholendes Muster. Denn das Erfolgsprojekt des Wiener Choreografen Willi Dorner hat in seiner langen Aufführungspraxis einen eigenen Code kreiert – ganz wie im akademischen Tanz. Nur heißen hier die Positionen butts, chimney, zigzag oder steps to heaven und sind im Buch mit den passenden Fotos illustriert.
In seiner Einleitung erläutert Dorner die Geschichte es Projekts, das mit einem Misserfolg in Barcelona startete und mittlerweile ein Renner auf Tanzfestival und Kunstevents ist. Die ungebrochene Nachfrage aus verschiedenen Teilen der Welt macht es ihm unmöglich alle Stationen persönlich zu betreuen und so sind mittlerweile eine Reihe von AssistentInnen unterwegs, um „bodies in urban spaces“ zu realisieren. Ein Code für die Kommunikation mit ihnen wurde notwendig.
Weitere Texte ergänzen Lisa Rastls wunderbare Fotos von den Trails in Berlin New York, Philadelphia, Brüssel, Montreal, Istanbul, Basel. Alessandria, Montpellier, Wien, Berlin, Barcelona, Brighton, Seoul, London, Paris, Marseille, St. Petersburg, um hier nur einige der über 60 Städte zu nennen, an denen die Performance stattgefunden hat. Neben der erwähnten Einleitung des Choreografen, werden verschiedene Aspekte der Arbeit in einem Gespräch mit ihm, der Tanzautorin Andrea Amort und dem Leiter des Huis Festival a/d Werft und des Spring Performance Arts Festivals in Utrecht, Rainer Hofmann, erläutert, etwa das Interesse der Veranstalter, die Reaktion des Publikums, die politische Dimension des Body-Trails und dessen Funktion als Stadt-Branding. Franz Thalmairs Essy „Zwischenspielräume“ ergänzt die Reflexionen über das spannende Projekt, setzt es in den historischen Kontext der Wiener Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre und in Beziehung zu Aktionen von Valie Export oder Günter Brus.
Der globale Erfolg des Projekts ist sicher auch auf die großartigen Fotos zurückzuführen (welcher Veranstalter freut sich nicht über derart ansprechendes Bildmaterial für seine Promotion), und sie sind weit mehr als eine Illustration des Performance-Projekts. Zwar kann man sich beim Anblick des Buches durchaus die physischen Strapazen der PerformerInnen vorstellen, die mit den skulpturalen Körperanordnungen verbunden sind. Und doch sind diese Fotografien gleichzeitig eigenständige, scharfsichtige und humorvolle Kommentare. Das sorgfältig und liebevoll gestaltete Buch ist daher für Performancefans und Freunde der Fotografie gleichermaßen zu empfehlen.
Willi Dorner: „bodies in urban spaces“, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2014
Zur Direktbestellung bei Amazon:
Willi Dorner: Bodies in Urban Spaces