Da er sich selbst noch nicht gefunden hat, wäre er oftmals lieber auch gar nicht da: Er, ein Mann, Lukas. Mit dieser Ausgangssituation konfrontiert der in Graz lebende Schauspieler und Tanztherapeut Fredrik Jan Hofmann sich und sein Publikum; mit einer Situation, in der sich psychotische Menschen befinden (können) und denen Trudi Schoop tanztherapeutisch wegweisend schon in den 50er Jahren zu helfen suchte.
Hofmann versucht, zurückgreifend auf Aufzeichnungen Schoops über Lukas, einen Abschnitt eines derartigen Weges, also eines langen und eines der kleinen vorwärts, aber auch immer wieder rückwärts gerichteten Schritte darzustellen: in Bewegungsbildern, in kurzen tänzerischen Sequenzen sowie in einigen wenigen, jedoch nicht unwichtigen Worten.
Wie ausgespien aus seiner Welt betritt er, Lukas, von weit weg, von oben (einem Steg) kommend, die unsere: in weißer Hose und ebensolchem, schlampig hineingestecktem Hemd – Kleidung, die Ein- und Ausgeschlossenheit assoziieren lässt. Vorsichtig, verunsichert, haltlos sind seine zögernden Schritte, weitgehend ins Leere gehend sein Blick. Mit ausholender Arm-Geste setzt er sich kurz Hörner auf – ‚drohend‘, jeglichen Kontakt zu anderen abwehrend. Ist er sich doch schon selbst Problem und fremd genug. Nahezu zärtlich streicht er sich aber, hoffnungsvoll vielleicht, über sein Haar, klopft sich beidseitig auf die Schulter. Nein, nicht anerkennend, eher strafend wahrscheinlich und verschwindet wieder hinter die offene Türe; kommt wieder, wiederholt dieses Gestik-Ritual, das Gehen und Kommen mehrfach. Sein Bleiben verlängert, seine Gehstrecken vergrößern sich langsam; vorerst an der Wand entlang, mit der Zeit quer durch den Raum. Die ebenso feinsinnige wie starke Bühnenpräsenz Hofmanns vermag bei aller Reduktion eines Geschehens die Spannung zu halten: bis zu ersten Befreiungsschlägen, kurzem Toben, erster mit Kreide gekennzeichneten Verortung in „dieser“ Welt und einem ersten, zögerlichen Lächeln, einem ersten, unsicheren Wort. „naja…“. Sie hält auch, wenn das sich lockernde Kreisen um sich selbst wieder an Kraft verliert, sich auflöst. Jedenfalls dann, wenn man sich auf diese Selbstsuche in kontaktlosem Raum, in dieser Abwesenheit eines anderen einzulassen bereit ist. Nicht jeder war es und „Lukas“ quittiert dieses Gehen mit – bei aller Aktualität - inhaltsbefreitem „fröhliche Weihnachten“. Denn diese Worte beginnen sich als weitere, als zusätzlich nutzlos einengende Schleife zu drehen. Und doch wird schließlich aus der einfachen Körper-Bewegung im Raum kurz befreiend fließende Drehbewegung. „Tanz“, der in erlösendes Schmeißen auf den Boden respektive gegen eine Matratze gipfelt.
Ein mutiges ‚Lehrstück‘ für ein erwartungsvolles Publikum. Eines, das befreiendes Loslassen um anzukommen zum Thema hat und ein solches von Theater-Erwartungen der Rezipienten gleichermaßen einfordert: im gegebenen Fall erfolgreich unterstützt mit griffiger Handreichung performativer Darstellungskunst.
„…tanz mit mir! Ein performativer Tanz-Monolog von und mit Fredrik Jan Hofmann, Premiere am 6. Dezember 2024 im Theaterhaus Graz. Weitere Vorstellungen am 12. und 13. Dezember