Seit zehn Jahren mischt die südafrikansiche Choreografin und Tänzerin Dada Masilo mit ihren Neuinterpretationen der klassischen Ballettliteratur die zeitgenössische Tanzszene gehörig auf. Nun hat sie sich an “Hamlet” versucht. Ohne Narrativ kommt Alexander Vantournhout aus. Seine Themen sind Bewegung, Balance und kollektive Körper zwischen Tanz und Akrobatik.
So fulminant ihre Versionen von “Schwanensee”, “Giselle” oder "Sacre du printemps" sind, mit Shakespeares Tragödie hat sie sich gewaltig übernommen. Hier fehlt es sowohl an einer stringenten Dramaturgie als auch an zündenden choreografischen Ideen. Dem höfischen Intrigenspiel, das mit Hamlets Monolog beginnt, kann man nicht folgen. Dafür sind die Hauptcharakere zwar genderfluid besetzt, aber zu schwach gezeichnet, die Texte zu unverständlich rezitiert. Hier hätten projizierte Untertitel geholfen, statt der dorthin geworfenen Hintergrundbilder, die keinen echten Mehrwert brachten.
Selbst die geplante Aufwertung Ophelias, getanzt von Masilo herself, geht unter, denn Masilo hat sich nicht darauf konzentriert, sondern das gesamte Schauspiel repliziert. Viel zu komplex um in einer musikalisch-tänzerischen Umsetzung gelingen zu können.
Das Bühnengeschehen dominiert die imposante Erscheinung des Schauspielers / Tänzers Albert Khoza als Hamlets Mutter Gertrude. Die Musik von Thuthuka Sibisi, live gespielt von Leroy Mapholo, Mpho Mothiba und der wunderbaren Sängerin Ann Masina klingt übersteuert und zu laut.
Der Jubel des wie immer enthusiasmierten Impulstanzpublikums blieb auch diesmal nicht aus. Er galt wohl den wendigen Tänzer*innen von The Dance Factory. Für sie wünscht man sich, dass Dada Masilo ihre erfrischenden Experimente mit Ballettstoffen wieder aufnimmt. So wäre es spannend zu sehen, wie etwa Dornröschen aus ihrer Perspektive agieren würde.
Balanceübungen
Es ist ja heute eher selten, dass sich Choreograf*innen mit Bewegungsqualitäten auseinandersetzen. Diese wird meist von anderen Themen überlagert bzw. zugunsten derer aufgegeben. Beim Belgier Alexander Vantournhout und seiner Gruppe not standing sind Inhalt und Form jedoch deckungsgleich, legt er den Fokus doch auf die Kinetik und auf Interaktionen menschlicher Körper. In “Foreshadow” bilden 8 Tänzer*innen und Akrobat*innen Körpergirlanden, -skulpturen, - verschränkungen und -blöcke, die im permanenten Wechsel entstehen und ebenso schnell wieder verschwinden.
Es ist ein großes Vergnügen, wie diese Darsteller*innen sich reptilienartig auf dem Boden oder wie Geckos entlang der Rückwand bewegen. Trotzdem vermisst man in der 75-minütigen Aufführung den künstlerischen Flair. Der Rhythmus zu diesen Fortbewegungsmustern liefert die Pop-Musik von This Heat aus den 1970er Jahren, die ein bisschen wie die Ambient Music klingt, also nicht besonders aufregend. Sowohl die Kostüme, hellblau bis hellgrüne Tops und Shorts (Patty Eggerickx) als auch das monotone Licht (Bert van Dijck) folgen dem puristischen Ansatz, der nach einer gewissen Zeit repetitiv wird. Fazit: Eine halbe Stunde kürzer, und es wäre perfekt gewesen.
Dada Masilo / The Dance Factory: “Hamlet”, gesehene Aufführung am 24. Juli im Burgtheater; Alexander Vantournhout / not standing: “Foreshadow” am 24. Juni (Österreich-Premiere) im Volkstheater im Rahmen von Impulstanz (noch bis 11. August)