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CarboniDort, wo das Wort an seine Grenzen stößt, kann die Ausdruckskraft von Bewegung das angestrebte Vermitteln von Inhalten ergänzen und vertiefen. So geschehen, wenn dieses „Reisepoem frei nach Venedikt Erofeev“ auf die Bühne gestellt wird: vom Schauspieler Frederik Jan Hofmann und der Tänzerin Jadi Carboni.

Überzeugend geschehen, denn die hier zu erlebende künstlerische Kooperation ist die zweier Kunstsparten auf Augenhöhe und zweier Künstler mit breitgefächertem Können: der am Max Reinhard Seminar ausgebildete Hofmann unterrichtet zu Themen rund um Rhetorik und Körpersprache und ist Tanztherapeut. Carboni studierte Tanz an der National Dance Academy in Rom, Choreografie am HZT in Berlin, ist ausgebildet in Kampfkünsten, Körperarbeit und Stimmbildung sowie zertifizierte Yogalehrerin.

„Moskau Petuški“, der 1969 verfasste Roman und bekanntestes Werk des russischen Schriftstellers Wenedikt Jerofejew erzählt von der Zugfahrt des Alkoholikers Venička, der nach durchzechter Nacht in einem gleichermaßen benebelten wie hellwach unverblümten Taumel von fantasievoll absurden Erinnerungen und Assoziationen wie literarisch verbrämten, kritischen Gedanken zum sowjetischen System versinkt. Ohne in herkömmliche Säuferdarstellungen abzudriften, mimt Hofmann auf eindringliche Weise einen ins Haltlose Gefallenen. Sein Textmosaik vermittelt sich als Rausch der Empfindungen, manches Mal auch des Galgenhumors, der einerseits oberflächlich auf den Wellen des Alkohols auf und ab gleitet, andererseits aber vor allem auf denen einer beinharten, abgelehnten Realität. Und überall dort, wo die Fassbarkeit dieses dichten Textes dem Rezipienten zu entgleiten droht, ist es die körpertheatrale, die poetisch-tänzerische Präsenz Carbonis, die zupackt, festhält und Einblick gewährt in die Tiefen des Gesagten. Ob sie dies als Zweites Ich, als Unterbewusstsein, als mahnender Blick von außen, als distanzierter Beobachter oder als verdrängte, unterdrückte Emotionalität oder auch Rationalität tut, scheint zu variieren, bleibt aber auf jeden Fall dem fasziniert und berührt Betrachtenden überlassen 

Ohne akustische Unterstützung oder Requisiten in Anspruch zu nehmen, setzten die zwei Protagonisten ihre oszillierenden Spots auf markante Situationen der Hilflosigkeit, der Ein- und Beschränkung, des Gefangenseins und der Einsamkeit. Feinnervig minimalistisch geschieht dies wie explosiv und unbarmherzig expressiv. 

Eine einprägsame, stimmige interdisziplinäre Präsentation, der es bei aller historischen und geografisch-ideologischen Verwurzelung nicht an aktuellen Bezügen fehlt. 

MOSKAU PETUŠKI, Ein Reisepoem frei nach Venedikt Erofeev, Premiere 11.Oktober 2023, theater am lend, Graz