Sieben Topchoreograf*innen an einem Abend! Klingt gut. Und weckt (vielleicht überzogene) Erwartungen. Solche, die beim Gastspiel von Gauthier Dance im Festspielhaus St. Pölten jedenfalls herb enttäuscht wurden. Der Abend der Superlative war letztlich ein lauer Sündenpfuhl, der dem geballten Talent, das in „The Seven Sins“ aufgeboten wurde, in keiner Weise gerecht wurde.
Die sieben Todsünden waren das Thema, das Compagnieleiter Eric Gauthier 2022 zur choreografischen Diskussion gestellt hatte. Zum Beginn der Vorstellung trat er vor den Vorgang und erzählte stolz von seiner Compagnie Gauthier Dance, die 2007 mit sechs Tänzer*innen im Stuttgarter Theaterhaus gegründet wurde und nun von Dance Europe unter die zehn besten Compagnien in Europa gereiht wurde. Er erzählte, wie er es schaffte, die Crème de la Crème des zeitgenössischen Tanzes für dieses Projekt zu gewinnen und forderte das Publikum auf: „Beurteilen Sie nicht die einzelnen Beiträge, sondern das Stück in seiner Gesamtheit.“
Doch der Erfüllung dieser Aufforderung scheiterte am Format des Abends. Eine dramaturgische Verbindung zwischen den einzelnen Nummern fehlte. Zwischen den Kurzchoreografien, die ohne erkennbare Musikregie aneinandergereiht waren, war lediglich jeweils eine traurige Strichgrafik auf dem Prospekt eingeblendet und Geflüster aus dem Off zu hören. Das ist zu dünn.
In kurzen Einheiten – der Abend dauerte inklusive Gauthiers Einleitung unter zwei Stunden – setzten sich die Choreograf*innen mit diesen fundamentalen Konzepten menschlichen Kontrollverlustes, die die Todsünden darstellen, auseinander. Einerseits versuchten sie Stereotypen oder Klischees zu vermeiden, andererseits kamen sie ohne diese nicht aus. Das Konzept fühlte sich wie ein Korsett für die Kreativität an und gab auch den 16 Tänzer*innen der Compagnie wenig Raum ihre Persönlichkeit zu entfalten.
Sidi Larbi Cherkaoui bettete sein Statement über die Habgier als korrupte Gier nach Geld in buddhistische Texte darüber ein. Aszure Barton handelte in einem Männerduo die Faulheit als „Human Undoing“ ab, in dem sich die beiden Männer in schwarzen Trainingsanzügen scheinbar antriebs- und motivationslos bewegen. Marcos Morau nennt seine Kreation „Hermana“ und zeigt den Hochmut als Triebkraft für Selbstbewusstsein und Autonomie mit fünf Frauen im tänzerischen Gleichklang. Hofesh Shechter übersetzt die Wollust als „Luxury Guilt“ in einen Gruppentanz in Zeitlupe und vermittelt damit das Verlangen zumindest ansatzweise, bevor er am Ende doch wieder ins Klischee verfällt: die Frauen setzen sich mit gespreizten Beinen und dem Rücken zum Publikum an den Bühnenrand – Blackout, bevor die Männer sich auf sie stürzen können. Dagegen lässt Sasha Waltz bei einem Tänzer und einer Tänzerin den Zorn ungebremst gegeneinander herausbrechen – und führt damit den Abend völlig ins Triviale. Im Gebaren von Sharon Eyals Tänzerinnen breitet sich der Neid in subtilen Gesten und Blicken aus.
Das Highlight dieser Nummernrevue stammt von Marco Goecke, der Völlerei als „Yesterday’s Scars“ zur Musik von Velvet Underground („Heroin“) in Bewegung übersetzt. Immer wieder streicht sich der Tänzer über die Arme, windet seinen Körper im Verlangen nach mehr und zittert nach Stillung des Hungers. Lediglich acht Minuten dauert dieses berührende Solo von Luca Panacci.
Gauthier Dance: „The Seven Sins” am 6. Oktober im Festspielhaus St. Pölten