Zwei riesige Handy-Displays und zwei stumme, ihre Smartphones bedienende PerformerInnen. Das Setup ist denkbar einfach, die Wirkung immens. Silke Huysmans und Hannes Dereere präsentierten im Tanzquartier Wien ihre dokumentarische Performance „Pleasant Island“ über die jüngere, sehr bewegte Geschichte des Inselstaates Nauru, der durch den Abbau großer Phosphat-Vorkommen zu Reichtum kam, und nach deren Erschöpfung völlig verarmte.
Karstlandschaften prägen heute das Bild der Insel Nauru. Nordöstlich von Australien im Pazifik gelegen und zur Inselwelt Mikronesiens gehörend, war diese kleinste Republik der Erde, bis 1968 unter australischer Kontrolle, an Phosphaten und durch deren rücksichtslosen Abbau auch ökonomisch reich. Das Ende der Naturressourcen ließ das reichste Land der Welt, auch „Birdshit-Island“ genannt, zu einem der ärmsten werden, weil vorausschauendes, Zukunft tragendes Investment unterblieb. Jetzt wirtschaftlich nur überlebensfähig durch Zahlungen Australiens für die „Abnahme“ von großenteils abgelehnten Asyl-Bewerbern, für die Nauru zu ihrer neuen „Heimat“ wurde, leiden die 10.000 Einwohner vielfältig. Nicht nur die lokale, vor allem die informationstechnische Isolation, installiert zum Schutz vor Aufdeckung der historischen Verbrechen an der Natur und der katastrophalen Situation der Flüchtlinge, lasten schwer auf den Menschen.
So viel zum Anlass für die beiden belgischen TheatermacherInnen Silke Huysmans und Hannes Dereere, die Insel Nauru im Jahr 2018 für drei Wochen zu besuchen und dort mit dem Smartphone, verdeckt zum Schutz vor Repressalien, mit Interviews, Film- und Fotoaufnahmen und Feldforschungen die Folgen der Ausbeutung der Phosphat-Vorkommen und die aktuelle Situation von Natur und Menschen auf Nauru zu untersuchen und zu dokumentieren.
In „Pleasant Island“, die Insel wurde von Walfängern einstmals so benannt, präsentieren die beiden die Ergebnisse. Live mit ihren Smartphones arbeitend, zeigen sie WhatsApp-Kommunikationen, Videoaufnahmen, tippen in Echtzeit abgespielte Tondokumente in Text-Apps, spielen Sound- und Musikbegleitung mit diversen Apps live ein.
Wir hören, lesen und sehen vom Schlaraffenland Nauru, in dem die Regierung das Leben der Einwohner komplett finanzierte: von dekadentem Amüsement in unzähligen Nachtclubs und Bingo-Hallen, vom folgenden Kollaps der Wirtschaft, der ruinierten Umwelt, von der Unmöglichkeit, Einkommen zu generieren, auch Landwirtschaft war fürderhin unrealisierbar, von Hunger, kargen Mahlzeiten und der Verzweiflung der Menschen, von schwersten gesundheitlichen und psychischen Problemen und der Hilflosigkeit der Menschen, verursacht vor allem durch deren technische Isolation von der restlichen Welt.
Australische Regierungsvertreter warnen potentielle Flüchtlinge, per Boot den Kontinent anzusteuern; Asyl werden sie grundsätzlich nicht erhalten. Statt dessen abgestellt auf Nauru, das mittels der damit verbundenen Zahlungen seitens Australiens eine Überlebenschance erhielt. Soziale Bindungen entstehen, die Flüchtlinge leiden extrem unter den verheerenden Bedingungen.
Und einer der Bosse der „DeepGreen Metals Inc.“ präsentiert gemeinsam mit einem Politiker die Lösung für alle ökologischen, ökonomischen und sozialen Probleme (nicht nur Naurus): Deep-Sea-Mining zwecks Ausbeutung der unterseeischen, für unsere nachhaltig gestaltete Zukunft benötigten Ressourcen … Die für die elektrizitästs-basierte Energie-Gewinnung und -Nutzung erforderlichen und in riesigen Mengen benötigten Rohstoffe für Generatoren, Motoren, Akkumulatoren und andere Energiespeicher, Leitungsnetze und dergleichen, die als Bodenschätze an Land und vor allem auch unterseeisch lagern, müssen gehoben werden. Weitere Zerstörungen, fortgesetzter Raubbau an endlichen Ressourcen, auf dem Meeresgrund nur nicht sichtbar, werden die Folge sein.
Der deutliche Hinweis auf die negativen ökologischen und ökonomischen Seiteneffekte einer für sich positiv bewerteten Entwicklung, die provozierten antizipierenden, so plastischen Assoziationen und vor allem die immer gleichen Egoismen als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage der auf allen Ebenen Beteiligten entlassen das Publikum in traurig-deprimierter Verfassung. Die, zumindest in diesem Moment so erscheinende, Alternativlosigkeit dieses Weges zu Rettung der Welt trägt das Ihre dazu bei.
„Pleasant Island“ ist, nach „Mining Stories“ von 2016, die zweite Arbeit von Silke Huysmans und Hannes Dereere zum Thema rücksichtsloser Ausbeutung geologischer Ressourcen. Ein stiller, unaufgeregter Report mit Tiefenwirkung. Dystopie at its best.
Silke Huysmans & Hannes Dereere / CAMPO: „Pleasant Island“, am 10. Jänner 2020 im Tanzquartier Wien.