Kurz vor Mitternacht endet die Oper „Merope“ im Theater an der Wien, und das Publikum quittierte das mit großer Begeisterung. Schwer zu sagen, ob aus Erleichterung nach der überlangen Dauer von mehr als vier Stunden oder wegen der musikalischen Leistung. Jedenfalls ist es schade, dass diese Übernahme aus Innsbruck nur konzertant gegeben wurde. Die Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens erschließt sich nicht wirklich.
Fans der Alten Musik-Szene sind dankbar und hartnäckig, wenn ein selten aufgeführtes Werk wie „Merope“ von Riccardo Broschi und Apostolo Zeno von 1732 gespielt wird. Bei den diesjährigen Innsbrucker Festwochen der Alten Musik gab es das Dramma per Musica immerhin inszeniert zu erleben, von Sigrid T’Hooft in historisierender Manier. Alessandro De Marchi leitete das Innsbrucker Festwochenorchester. Da nahm man die fünfeinhalb Stunden lockerer hin und bekam ja auch Tänze zu sehen.
Im Theater an der Wien, wo die barocke Oper in den vergangenen Jahren zu so manchen Blüten kam, zeigte man leider nichts davon, sondern ließ dieselbe Besetzung nur singen und musizieren. Das ist bedauerlich, denn der Witz barocker Opern liegt gerade in ihren spielerischen Möglichkeiten. Wenn die SängerInnen wenigstens ihren Part auswendig darböten, wäre man als ZuschauerIn schon froh. Doch ein Notenpult vor einem Singenden ist stets einen Gefahr für das performative Erlebnis. Und so war es auch hier, obwohl manche ProtagonistInnen mehr, andere weniger schauspielerisch agierten.
Alessandro De Marchi leitete das Ensemble beherzt, denn er hat die Partitur ja selbst verfertigt. „Merope“, komponiert vom Bruder des seinerzeit legendären Kastraten Carlo Broschi alias Farinelli, und natürlich auch für dessen Stimme, ist ein sehr melodiöses und schwungvolles Werk. Man hört gern zu, und insgesamt boten die SolistInnen erfreuliche Leistungen. Anna Bonitatibus schuf mit ihrem warmen Mezzosopran eine starke Merope, und auch Vivica Genaux überzeugte als Trasimede. Farinellis schwieriger Part kam nun dem Countertenor David Hansen zu, der sichtlich Mühe hatte mit der großen Range von hoch zu tief. Man sah ihm die schwere Arbeit an und es klang auch nicht leicht, sondern im Gegenteil, sehr gepresst. Dennoch gab es großen Applaus, vielleicht gerade deshalb.
Dass viele BesucherInnen das Theater an der Wien schon nach der zweiten Pause verlassen hatten, lag in der Natur der langen und konzertanten Sache. Oper ist ein theatrales Genre und lebt nicht nur von der Musik. Im Grunde ist es widersinnig, Bühnenwerke als Konzert aufzuführen, das funktioniert maximal bei Semioperas von Henry Purcell.
„Merope“: Konzertante Aufführung am 21. Oktober 2019 im Theater an der Wien.