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FlyingDie diesjährige Ausgabe des Tanztheaterfestivals der Internationalen Bühnenwerkstatt Graz startete ihren zusammenhängenden, 6tägigen Aufführungsblock im Rechbauerkino mit der Graz-Premiere des Films „Mr. Gaga“ (siehe DVD-Besprechung auf tanz.at) und damit auch mit einem qualitativen Höhepunkt. Alle folgenden Termine fanden an unterschiedlichen Orten im Botanischen Garten statt - allesamt ein Gewinn für das jeweils Gezeigte.

So auch für das Eröffnungsfest, das unter dem Motto „Viva o Brasil“ stand. Von durch einzelne Dozenten für Mini-Bewegungs-Sequenzen gut genutzte Installationen im Freigelände wurde man atmosphärisch dicht begrüßt. Die den Titel des Abends vorgebende, regionalen Traditionen verbundene Tanzeinlage von Clarissa Rȇgo (BRA) und Jessica Moretto (BRA), die das Programm einleitete, entsprach hingegen und trotz live Musik nur wenig den geweckten Erwartungen, auch wenn anschließend ein freies Tänzchen mit dem Publikum die Stimmung  hob. Sehr gelungen hingegen die Vorstellungsrunde der einzelnen Lehrenden zu ihren Workshops: locker und launig vermittelten sie kurzgefasst Informationen zu den Inhalten, gaben anhand konkreter Beispiele griffig eine Vorstellung von ihrer Arbeitsweise.Ella

Die  Cie. Ella (AUT) stellte mit „Ella in der Zwischenwelt – Auf der Suche nach dem Rolagüst“ ihre zweite Produktion vor: durchaus etwas gereift und erfreulicherweise wiederum in dem Theaterraum bleibend, der die Neugierde, der die Fantasie (der Kinder) fordert. Mit einfachsten Handlungen und Requisiten machen sie Grunderfahrungen kindgerecht erlebbar: Ein undefinierbarer Wollknäuel etwa reagiert mit furchterregendem Geräusch bei Berührung (durch die Tänzerinnen). Als sich aber ein Kind davon nicht beirren lässt und es seinerseits versucht, ihn vorsichtig an sich zu nehmen, herrscht (akzeptierende) Stille: nur Mut, lautet also eine der „einfachen“, wichtigen Botschaften.

NightingaleVon wetterbedingten widrigen Umständen besonders betroffen war am vierten Abend die eine gute halbe Stunde dauernde Performance „Mr. Nightingale Goes to the Lake“ von Igor Sviderski (SLO). Mit der ihm eigenen, charmant-starken Bühnenpräsenz trotzte er zwar (gemeinsam mit dem ausharrenden Publikum) dem Regen, doch was tatsächlich in seiner Auseinandersetzung mit seinen bisherigen 50 Lebensjahren an persönlicher Offenheit und Tiefe in diesem Work in Progress vermittelt werden sollte, war immer wieder nur zu ahnen. Durchgedrungen und geblieben sind prägnante farbliche Mosaiksteine, mit kräftigem Strich rot und weiß (so seine Kostüme) ins Grün der Natur getupft.

Die wiederum 30minütige Produktion „Kugelkopf ext.4:Sub Divo“, performt von Nagl/Wintersberger(AUT), basiert auf der ganz witzigen Idee eines tänzerischen Acts mit übergestülptem (das Sehen ver- bzw. behinderten)  Kugelkopf (aus Pappe); kubistisch mit Fotografien von Gesichtsteilen „belebt“. Allerdings bleibt es (noch) lediglich bei dieser Idee, bleibt die Aktion in dieser stecken. Vermittelt sich doch weder etwas inhaltlich, noch ist eine kreative, durchdachte Struktur auszumachen.  Flying2

Auch der letzte Abend und damit die kleine Produktion „Flying in Dreams & Reality“der Cie. DOtheater mit Evgeny Kozlov, unter Mitwirkung von Igor Svidersky und Xianghui Zeng sowie Workshop-Teilnehmern, fiel bei allem Durchhaltevermögen der Akteure im Einzelnen und in (vielleicht vorhandenen, feineren) Details dem Regen zum Opfer; dies gilt wahrscheinlich besonders für die pantomimische Szene des Gedankenfluges, die (unter diesen Umständen?) auf gängig Gestricktes reduziert war.  Die gekonnt strukturierte Einfachheit glasklarer Bewegungsbilder zum Thema Fliegen entwickelte sich in einigen Fällen aber doch differenziert:  zwischen gängig-absurdem Alltagsverhalten (auf einem Flughafen), den Sicherheitsanordnungen am Beginn eines Fluges, bei dem sich (beim einen und anderen) gelangweilt sexuelle Assoziationen wie die amüsant-überhöht Gezeigten einstellen mögen; oder aber dem ironisch angeprangerten, unreflektierten Massenverhalten einer (Vogel)Schar.

Für das in Graz mit Künstlerischem aus dem zeitgenössischen Tanzbereich ja nicht gerade überhäuften oder gar verwöhnten Publikum waren die Abende insgesamt ein nettes kleines Angebot an - wie zutreffend bezeichnet - „Tanz Acts I Peformances“ unterschiedlicher Art und (tanztechnischer) Qualität.

Internationale Bühnenwerkstatt und Tanztheaterfestival Graz, 8. bis 14. Juli 2017