Es menschelt in Apartment Nr. 12, vor dem Hintergrund von wechselndem Design, das im brut-Wien Stück für Stück zusammengezimmert wird: Sei es ein karger 1930er-Jahre-Holzofen, eine psychedelische 1970er-Jahre-Tapete oder eine heutige, kühle Ausstattung mit Plexiglasstühlen. Toxic dreams bedient sich in „Home of the not so brave“ von Yosi Wanunu eines retroschicken Schauspielertheaters, das ganz analogen Mitteln frönt. Anstatt Finessen der digitalen Techniken einzusetzen, werkt man mit liebevoll altmodischem, englischem Schauspielertheater inklusive musik-theatralen Einlagen.
In einem Wiener Altbau-Apartment leben über die Jahrzehnte Familien, Paare und Singles. An zwei in die brut-Bühne gebauten Schiebewänden ändern sich Design und Ausstattung während die neuen Bewohner und Bewohnerinnen frische Themen bringen. Häufig sind es Beziehungsfragen, die hier verhandelt werden, eher subtil und unspektakulär spiegeln sich auch Fragen der Zeit in den Szenen. Vor einem Holzofen diskutieren in den 1930er-Jahren jüdische Geschwister ihren Umzug nach New York, da in Wien ihr „modernes“ jüdisches Clowntheater noch seiner Zeit voraus sei. Um den runden Holz-Küchentisch proben sie Lieder und Tänze, während sie sich an den Altvorderen - ihren verstorbenen Eltern, die Schauspielstars waren - abarbeiten.
In den1970er-Jahren tragen die zwei Bewohnerinnen - ein lesbisches Pärchen - nicht nur an der Kleidung wuchernde Muster und mutige Farbkombis, auch von den Wänden prangen überdimensionale orangefarbige Muster. Innen drin aber herrschen Zwänge, wenn die Frauen ihren alljährlichen vorweihnachtlichen Kampf fechten, ob den Arbeitskollegen wohl statt dem Ehemann die Partnerin zuzumuten sei. Beziehungen werden jedenfalls auch näher an der Gegenwart nicht einfacher, auch wenn Dating-Apps bei der Anbahnung helfen sollen. Sexuell, so scheint es, läuft es in den 2000er-Jahren auf Sparflamme, als Folge des Feminismus seien „überall Männer, die sich vor Beziehungen in die Hose machen“. Mit feinem Trompetenspiel verbindet Alexander Kranabetter die Szenen, lose verflechten auch die Erzählungen des letzten Mieters der Wohnung die Stränge.
Regisseur Yosi Wanunus „Home of the not so brave” entfaltet seinen größten Reiz durch seine Mitwirkenden, Susanne Gschwendtner, Anna Mendelssohn, Markus Zett und Isabella-Nora Händler. Diese schlüpfen in unnachahmlich antiquiertem Spielstil in unterschiedlichste Rollen und spielen nahtlos viele unabhängige Szenen, mit kleinen Tanz- und Gesangseinlagen. Ein Schwachpunkt der Arbeit bleibt allerdings ihre Länge, die die Szenen dann doch einförmig erscheinen lässt.
Toxic dreams, Yosi Wanunu „Home of the not so brave. Stories from Apartment No. 12“ Brut-Wien, 7.6.2017, www.brut-wien.at, Weitere Vorstellungen am: 13. und 14.6.2017